Högel-Prozess: Klinikum Oldenburg äußert sich zu Vorwürfen – Gedenkstätte geplant

Werbung
Werbung
Werbung

In seiner Urteilsbegründung hat der Vorsitzende Richter im Högel-Prozess, Dr. Sebastian Bührmann auch Kritik an den Zeugen des Klinikums Oldenburg geäußert. Das Klinikum Oldenburg hat heute mit einer Stellungnahme darauf reagiert, die wir hier in voller Länge abdrucken (Zwischenüberschriften durch unsere Redaktion für eine bessere Lesbarkeit).
–– –- –- –- –
Stellungnahme des Klinikums Oldenburg vom 6. Juni 2019 zum Urteil im Prozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel:
Das Landgericht Oldenburg hat heute den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel wegen 85 Morden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. „Das Klinikum Oldenburg begrüßt dieses Urteil, da die
Ungewissheit der Angehörigen seiner Opfer wenigstens in den abgeurteilten Fällen ein vorläufiges Ende hat. Erstmalig ist er auch für Taten, die er in den Jahren 2000 und 2001 bei uns begangen hat, verurteilt worden. Wir hoffen, dass die Angehörigen nun Frieden finden können, auch wenn die grausame Wahrheit, einen geliebten Menschen durch eine Gewalttat verloren zu haben, schwer erträglich ist. Unsere Gedanken sind heute an diesem wichtigen Tag bei den Opfern und den Angehörigen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Oldenburg, Dr. Dirk Tenzer nach der Urteilsverkündung.

Prozess hat noch viel Unklarheit hinterlassen

Niels Högel wurde heute sicher nicht für alle Morde, die er begangen hat, verurteilt. Er hat zwar von Reue gesprochen, aber die Übernahme der Verantwortung für die Taten, eine Schilderung des eigentlichen Motivs oder eine echte aktive Mitwirkung an der Aufklärung der Taten deutlich vermissen lassen. Damit hat er seine Chance vertan, allen Angehörigen Gewissheit zu geben. Dies verurteilen wir aufs Schärfste. Somit hat der Prozess zwar einen Teil der Wahrheit ans Licht gebracht, aber leider auch noch viel Unklarheit hinterlassen. Dieses Urteil ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, eine Etappe auf dem Weg zur Aufklärung der damaligen Geschehnisse.

Tenzer: „Unser Interesse ist die lückenlose Aufklärung in unserem Haus“

Abhängig von einer evtl. Revision einer der Parteien – dies gilt es abzuwarten – werden weitere Verfahren folgen. So wurde beispielsweise bereits vor mehr als einem Jahr Anklage gegen die Verantwortlichen des Klinikums Delmenhorst erhoben, im Raume steht evtl. eine Anklageerhebung gegen die damals Verantwortlichen aus unserem Hause. Des Weiteren laufen weitere Verfahren wegen Meineids bzw. uneidlicher Falschaussage. Dieser Fall wird uns und die Öffentlichkeit daher noch lange beschäftigen, bis endlich alle Vorgänge der Vergangenheit aufgeklärt sind. „Unser Interesse ist die lückenlose Aufklärung der Geschehnisse in unserem Haus in den Jahren 2000 bis 2002“, erklärt Dr. Tenzer, „das war und ist unser Ziel. Das sind wir auch den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.“
 
Das Klinikum Oldenburg unterstützt seit September 2014 vorbehaltslos die Aufklärung der damaligen Vorfälle in unserem Haus rund um Niels Högel. So wurde bereits Ende 2014 in einem durch das Klinikum in Auftrag gegebenen Gutachten festgestellt, dass Niels Högel vor fast zwanzig Jahren in unserem Haus getötet hat. Dies war zu einem Zeitpunkt als Niels Högel die Taten noch mehr als zwei weitere Jahre vehement leugnen sollte. Die erstellten Gutachten haben wir vor Veröffentlichung der Staatsanwaltschaft neben anderen maßgeblichen Unterlagen aus der fraglichen Zeit zur Verfügung gestellt, um die Ermittlungen tatkräftig zu unterstützen. Auch haben wir von uns aus die Öffentlichkeit über die Erkenntnisse informiert.

„Vorbehaltlose Offenheit bis heute“

Diese vorbehaltlose Offenheit ist bis heute geblieben. Auch haben wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehrfach aufgefordert, noch vorhandenes Wissen preiszugeben und auch dies den Behörden zu melden. Sollte sich jedoch zeigen, dass vor zwanzig Jahren die seinerzeit Handelnden versucht haben, ggf. bekannte Taten oder erhebliche Verdachtsmomente unter den Teppich zu kehren, müssen diese mit aller Konsequenz zur Verantwortung gezogen werden. Es ist nun Aufgabe der Ermittlungsbehörden und der Gerichte hier Licht ins Dunkel zu bringen.

„Keine Anweisung an die betreuenden Anwälte“

Da die Aussage im Rahmen eines Mordprozesses für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine erhebliche emotionale Belastung darstellt, waren einige Mitarbeiter froh, dass wir Ihnen eine anwaltliche Begleitung ermöglicht haben. Die Unternehmensleitung hat dabei keine Anweisungen an die betreuenden Anwälte gegeben. Dies wäre auch kaum möglich, da alle Zeugen und Beschuldigte jeweils ein individuelles Mandatsverhältnis mit ihrem Anwalt haben.
Die anwaltliche Beratung an sich ist im deutschen Rechtssystem vorgesehen und dadurch natürlich auch nicht zu beanstanden. Für uns ist dies ein selbstverständlicher Teil der Fürsorge für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist bereits in der Fachwelt herrschende Meinung, dass eine solche Unterstützung sogar unter die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers fällt. Für uns ist es daher unverständlich, was der Vorsitzende Richter konkret an dem Vorgehen des Klinikums Oldenburg verwerflich findet. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der weit überwiegende Teil der Zeugen unseres Hauses – mehr als 100 ‐ bei der Soko ohne Anwalt ausgesagt hat. Wir werden selbstverständlich auch weiterhin unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Unterstützung bei allen Ermittlungsverfahren anbieten.

„Verantwortung liegt bei den Zeugen“

Diese Unterstützung gilt auch für die von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Verfahren wegen Meineids bzw. uneidlicher Falschaussage. Wir als Klinikum hätten uns gewünscht, dass auch die Zeugenaussagen umfassend zur Wahrheitsfindung beigetragen hätten. Das war leider nicht der Fall. Hier aber auf bewusste Erinnerungslücken von Zeugen abzustellen, obwohl die Ermittlungen erst mit einer deutlichen Verzögerung von 15 Jahren begonnen haben und allein dies schon deutliche Erinnerungslücken hervorrufen kann, kommt einer Vorverurteilung der Zeugen gleich. Das Klinikum hatte und wird auch in Zukunft keinen Einfluss auf Zeugenaussagen nehmen. Die Verantwortung für eine Aussage liegt ganz allein bei den Zeugen.

Gedenkstätte auf dem Klinikumsgelände geplant

Nachdem Niels Högel jetzt auch für Todesfälle in Oldenburg verurteilt wurde und damit seine Schuld zweifelsfrei belegt ist, kann und wird in enger Zusammenarbeit mit den Hinterbliebenen der Opfer auf dem Gelände des Klinikums eine Gedenkstätte errichtet werden. „Wir denken an einen Ort der Stille, eine Erinnerungsstätte für die Opfer“, erklärt Dr. Tenzer, „schon in den nächsten Tagen werden wir deshalb dazu Kontakt zu den Angehörigen und Opferverbänden aufnehmen.“

„…alles Menschenmögliche tun, damit unsere Patienten sicher sind“

Auch das Thema Patientensicherheit wird im Klinikum Oldenburg weiterhin ein Schwerpunkt bleiben. Den bereits eingeleiteten Maßnahmen werden weitere zur Patientensicherheit im Klinikum folgen, so z.B. das Unit‐Dose‐System, das beim Umbau der Apotheke verwirklicht werden soll. Dieses System stellt individuell die Arzneimittel eines Patienten direkt in der Apotheke bereit. „Wir als Klinikum fühlen uns verpflichtet, alles Menschenmögliche zu tun, damit unsere Patientinnen und Patienten bei uns sicher sind. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft weitergehen“, verspricht Dr. Tenzer.

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert