Rat lehnt Eilantrag zu Postenhandel-Nord ab – Baurecht und Einzelhandelskonzept haben Vorrang

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Nach der Sommerpause kam am gestrigen Mittwoch, 23. September, im com.media Veranstaltungszentrum, Lahusenstraße 25, auf der Nordwolle der Stadtrat zusammen. Diskutiert wurde besonders über einen gemeinsamen Eilantrag der Fraktion der Ungebunden (FdU) und Ratsfrau Kathrin Seidel (Bürgerforum) zum Postenhandel-Nord. Dieser sah eine Inbetriebnahme des Lagerverkaufs am neuen Standort in der Nienburger Straße vor, die verboten wurde.
 
Während der Einwohnerfragestunde nutzten mehrere Mitarbeiter des Unternehmens Postenhandel-Nord und Mitinhaberin Ilona Pawlowski die Chance, sich zu Wort zu melden. „Wir haben 35 Mitarbeiter. Viele davon sind Alleinerziehende in Vollzeit“, macht Pawlowski deutlich, was an dem Betrieb hängt. Außerdem hebt sie hervor: „Es gibt sonst keinen Laden in Delmenhorst, in dem man alles kaufen kann.“ Ein Mitarbeiter begann nach eigenen Angaben erst am 3. August sein Arbeitsverhältnis.
 

Mitarbeiter brachten Existenzsorgen zum Ausdruck

Heilfroh war er darüber, inmitten der Corona-Krise einen neuen Job gefunden zu haben, nachdem er seinen alten Arbeitsplatz eingebüßt hatte. Worte von Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD), der vergangene Woche von der Gewerkschaft ver.di mehr Solidarität in Bezug auf die Möglichkeit zur Durchführung verkaufsoffener Sonntage einforderte, zitierte eine andere Beschäftigte.

Sie fragte nach seiner Solidarität für den Postenhandel-Nord. Von einem Herrn, der im vergangenen Jahr aus Bochum herzog und seither mit einem mittelständischen Unternehmen expandierte, wurde appelliert, Ausnahmegenehmigungen zu überdenken. „Wir haben der Stadt geholfen“ betont er. Nun befindet sich seine Firma wegen angeblich falscher Ware vor dem wirtschaftlichen Kollaps.

Als letzter Mitarbeiter sprach ein siebenfacher Vater vor, der die Begründung des Betriebsverbots anhand zu vieler innenstadtrelevanter Waren nicht nachvollziehen kann. Er verweist darauf, dass zehn alleinerziehende Mütter beim Postenhandel-Nord beschäftigt sind und fragt provokant: „Bezahlen Sie unsere Mieten und die laufenden Kosten?“ Manche Redner hätten gern sofort Antworten gehört, doch die Geschäftsordnung sieht es vor, dass diese nicht in der Einwohnerfragestunde erfolgen.
 

Antragssteller sehen Änderungsbedarf beim Einzelhandelskonzept

Nicht alle Betroffenen hatten so viel Geduld oder Zeit zu bleiben, bis dann zwei Stunden später nach langwierigen Umbesetzungen in Ausschüssen und Gremien, einem Vortrag zum 30-jährigen Bestehen der Gleichstellungsstelle sowie weiteren Tagesordnungspunkten der Eilantrag behandelt wurde. Gefordert wird darin, dass der Stadtrat den Beschluss vom 19. Dezember 2017 ab sofort aufhebt.

Dieser sieht vor gemäß dem Einzelhandelskonzept aus dem Jahr 2017 innenstadtrelevante Waren im Außenbereich nicht oder lediglich eingeschränkt verkaufen zu lassen. Für den dazugehörigen Wiederholungsbeschluss vom 6. Februar gilt genauso, dass dieser revidiert werden soll.

Außerdem wird die Stadtverwaltung darum gebeten, ein zukunftsorientiertes Einzelhandelskonzept für die Innenstadt und die Außenbereiche zu erarbeiten. Unverzüglich soll Postenhandel-Nord die Betriebserlaubnis erteilt werden und eine Anpassung des Bebauungsplans vorgenommen werden. Obwohl er weiß, dass es nicht der Geschäftsordnung vereinbar ist, beantragte Ratsherr Peter Stemmler (UAD), dass ein Vertreter von Postenhandel-Nord noch einmal zu Wort kommt.
 

Baurecht und Einzelhandelskonzept müssen getrennt betrachtet werden

Dass Kunden dazu bereit sind, aus großer Entfernung anzufahren, spricht ihrer Einschätzung nach für das Angebot von Postenhandel-Nord. Zusätzlich berichtete Seidel, dass der Unternehmer bereits Monate vor der geplanten Inbetriebnahme mit dem Fachdienst Bauordnung alles geklärt hätte. „Es liegt definitiv kein Bauantrag vor“, stellt der Oberbürgermeister klar.

Er führt weiter aus: „Das Verwaltungsgericht hat das entschieden. Es gibt eine funktionierende Judikative in Deutschland.“ Jahnz erklärt: „Das Baurecht und das Einzelhandelskonzept sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das Einzelhandel Konzept ist ein politisches Konstrukt, das zum Schutz der Innenstadt geschaffen wurde. Im Laufe der Zeit muss es neu beraten werden. Wir können es nicht einfach aufheben, denn sonst haben sie einen unglaublichen Wildwuchs in der Peripherie.“
 

Streit um Sinn des Bauantrags

Verwiesen wurden von ihm darauf, dass anderen Betrieben ebenfalls keine Genehmigung gewährt wurde. „Machen wir eine Ausnahme, dann öffnen wir Tür und Tor und dann verlieren alle“, meint Jahnz. Einen Fehler bei der Stadtverwaltung, den er aus Seidels Ausführungen ableitete, kann er nicht erkennen. Postenhandel-Nord ist laut ihm in Delmenhorst ausdrücklich willkommen.

Der Oberbürgermeister merkt an: „Stellen sie einen ordentlichen Bauantrag! Dann kann dieser geprüft werden.“ Mit Blick auf den Bauantrag äußerte Ratsherr Lothar Mandalka (FdU), dass sich das Sortiment nur unwesentlich mit dem der vorherigen Betreiber Praktiker und Coma unterscheidet. Rätselhaft ist ihm auch der Brandschutz, der zuvor scheinbar keine Rolle spielte.

„Wir bitten die Verwaltung um Lösungsansätze, damit der Antrag, wenn er nicht in dieser durchgehen kann, verbessert wird und einen Weg aufzuweisen, wie Postenhandel-Nord vorübergehend öffnen kann“, lässt Mandalka verlauten. Jahnz sagt: „Wir haben in der Bundesrepublik ein Baurecht und daran führt kein Weg vorbei. Der Oberbürgermeister kann das nicht beugen.“
 

Oberbürgermeister muss sich an Beschlüsse des Rats halten

Ergänzend fügt er hinzu: „Über das Einzelhandelskonzept wird politisch entschieden. Es kann nicht einfach außer Kraft gesetzt werden.“ Sollte er sich darüber hinwegsetzen, würde ihm der Vorwurf angekreidet, Politik entgegen den Entscheidungen des Stadtrates zu betreiben. Auf Antrag von Ratsherr Dr. Lars Konukiewitz (SPD) wurde die Diskussion beendet und über den Antrag abgestimmt. Von der Mehrheit wurde dieser nicht unterstützt, sodass für den Postenhandel-Nord das Verbot des Lagerverkaufs weiter aufrechterhalten bleibt.
 
Bild: Der Stadtrat entschied sich gestern gegen einen Eilantrag der FdU und der Ratsfrau Kathrin Sedel, der die Öffnung des Lagerverkaufs von Postenhandel-Nord ermöglichen sollte.

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