VHS hält am Streben nach einem Tarifvertrag fest – Zusätzliches Kapital der Stadt ist erforderlich

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Am vergangenen Donnerstag, 4. Juni, stimmte der Ausschuss für Kultur und Sport mit knapper Mehrheit für eine Gastmitgliedschaft der Volkshochschule (VHS) Delmenhorst im kommunalen Arbeitgeberverband. Der Aufsichts- sowie der Betriebsrat und die Geschäftsfühung der VHS zeigten sich darüber enttäuscht. Sie wollen weiterhin gemeinsam das Ziel verfolgen, einen Tarifvertrag einzuführen, nehmen aber dafür die Stadt und die hiesige Politik in die Verantwortung.
 
Bei der letzten Sitzung des Kulturausschusses wurde im Zuge eines Antrags von Antje Beilemann (SPD) für die Gruppe SPD und Partner auch über die Einführung eines Tarifvertrags an der VHS debattiert. Letztlich wurde vom Gremium entschieden, den Antrag in geänderter Form anzunehmen. Endgültig darüber entschieden werden soll heute (11. Juni) auf der nächsten Ratssitzung. Der geänderte Beschluss lautet, dass die Gesellschafterversammlung der VHS den Geschäftsführer Jürgen Beckstette damit beauftragen soll, vorerst die Gastmitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband zu beantragen.
 

Auch der Arbeitgeber legt Wert auf einen Tarifvertrag

Mithilfe der Beratungsleistungen durch die Gastmitgliedschaft soll bei den Verhandlungen zum Haustarifvertrag mit entsprechender Öffnungsklausel im Hinblick auf die Eingruppierung und Einstufung eine adäquate Lösung zwischen den Mitarbeiterinteressen und der finanziellen Machbarkeit gefunden werden. Für Beckstette erweckte die Diskussion im Ausschuss einen falschen Eindruck.

Scheinbar wird ein Tarifvertrag nur einseitig positiv für die Beschäftigen wahrgenommen. „Diese Einstellung kann ich nicht teilen. Ein Tarifvertrag und die Tarifgerechtigkeit sind aus meiner Sicht und von Arbeitgeberseite her höchst wünschenswert“, stellt der VHS-Geschäftsführer klar. Was zu einem positiven Arbeitsklima beiträgt, ist zu begrüßen.

Außerdem gilt es Attraktivität als Arbeitgeber nach außen hin zu vermitteln, damit auch in Zukunft noch neue Mitarbeiter angeworben werden können. Dass von Seiten der Redner im Kulturausschuss ausschließlich der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in Betracht gezogen wurde, kritisiert Beckstette. Er verweist auf die IG Metall und weitere Gewerkschaften, die andere Tarifverträge abschließen. Beispielsweise besitzen Mitarbeiter bei VW über Haustarifverträge.
 

Frage der Finanzierung ist maßgeblich

Sowohl Beckstette als auch Robert Gabriel, Aufsichtsratsvorsitzender der VHS und Ratsherr (SPD), sind sich einig, dass der TVöD für die Bildungseinrichtung ungeeignet ist. Kurzarbeitergeld ist darin zum Beispiel nicht vorgesehen und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im kommenden Jahr Kurzarbeit bei der VHS betrieben wird.

Gabriel meint: „Mit dem TVöD würden wir uns ein Korsett anlegen, das uns viel zu stark einschränkt.“ Altersteilzeit ist laut ihm darin schlecht gelöst und der TVöD generell nicht für eine GmbH konzipiert. Beckstette ist davon überzeugt, dass eine Tarifgerechtigkeit auch ohne TVöD möglich ist. Er und Gabriel weisen darauf hin, dass jeder Abschluss eines Tarifvertrags mit Kosten verbunden ist.

Wovon dieser finanziert werden soll, ist für sie beide die wesentliche Frage, die es als nächstes zu klären gilt. Natürlich obliegt der hiesigen Politik die Entscheidung darüber, aber für Gabriel kann der geschilderte Antrag nicht als Grundlage dafür dienen. Pro Jahr bekommt die VHS als gemeinnützige GmbH (gGmbH) von Seiten der Stadt, ihrem einzigen Gesellschafter, eine Zuwendung in Höhe von 430.000 Euro. Seit acht Jahren ist dieser kommunale Zuschuss unverändert.
 

Verhandlungen dauern schon über zwei Jahre an

Neben dem kommunalen Zuschuss, den nach Beckstettes Einschätzung jede VHS erhält, wird auch vom Land Niedersachsen ein Landeszuschuss erteilt, der sich nach den Unterrichtseinheiten berechnet. Zwischenzeitlich wurden die Gehälter um 20 Prozent angehoben, wofür die Einrichtung Gabriel zufolge selbst aufkommt.

Kai Reske, Betriebsratsvorsitzender der VHS, der auch die Verhandlungskommission für ver.di vertritt, berichtet: „Wir verhandeln seit zweieinhalb Jahren mit der Stadt und hören immer dasselbe. Es ist kein Kapital dafür da. Die VHS kann das nicht selbst finanzieren.“ Von ihrer Seite wurde nach seinen Angaben der Hinweis erteilt, dass ihnen eine Gastmitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband überhaupt nichts nützt.

Sie setzten sich laut Reske seit Beginn der Verhandlungen für einen Haustarifvertrag. Benötigt wird ein Stufenaufstieg. Mitarbeiter, die jahrelang an der VHS tätig sind, sollten mehr Geld verdienen als erst kürzlich dazugestoßene Beschäftige. Dass die Gelegenheit für eine schnelle Lösung vertan wurde, sorgte bei ihm für Frustration. Im Gegensatz zu Beckstette und Gabriel ist Reske dem TVöD nicht ganz abgeneigt. Unbegreiflich ist für den Aufsichtsratsvorsitzenden, weshalb 2009 die Kündigung des Haustarifvertrags der VHS und deren Auslagerung von der Stadt zu einer GmbH erfolgten.
 

Überschüsse verdanken sich vor allem den Flüchtlingen

Dorothea Stelljes-Szukalski, Mitglied im Aufsichtsrat der VHS und Ratsfrau (CDU), erinnert daran, dass die VHS zur GmbH umgewandelt wurde, um als Gesellschaft selbstständig agieren zu können. Obendrein wurde die Kündigung des Haustarifvertrags wegen eine bevorstehenden Insolvenz notwendig.

Sie macht darauf aufmerksam, dass im Gesellschaftervertrag auch ein Bilanzausgleich seitens der Stadt von bis zu 200.000 Euro zu leisten ist. Nach Gabriel bringt dieser aber bei einer Insolvenz nichts. Grundsätzlich war die VHS nicht darauf ausgerichtet, eine schwarze Null zu erwirtschaften, wie Stelljes-Szukalski offenbart.

Durch die Grenzöffnungen im Rahmen der Flüchtlingskrise und der damit einhergehenden verstärkten Nachfrage nach Deutschkursen, wurde der Betrieb in den letzten stark angekurbelt sodass die schwarze Null erreicht und in den beiden Vorjahren sogar Überschüsse resultierten. Beckstette gibt den Überschuss vom letzten Jahr mit unter einem halben Monatsgehalt der Mitarbeiter der VHS an.
 

Es handelt sich nicht um eine durchschnittliche VHS

„Der Zuschuss muss so gestaltet werden, dass ein Tarifvertrag ermöglicht und anständige Tarife gezahlt werden“, fordert Stelljes-Szukalski. Reske teilt mit: „Wir sind der Meinung, ausgegliedert worden zu sein, um an Personalkosten zu sparen.“ Gabriel beteuert, nur Volkshochschulen zu kennen, die über einen Haustarifvertrag aber nicht über den TVöD verfügen.

In Niedersachsen wird Reske zufolge an der Hälfte aller Volkhochschulen der TVöD entweder von der Kommune oder per Anwendungstarif durchgesetzt. Vom VHS-Geschäftsführer wird die Ansicht vertreten, dass Haustarifverträge nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer Bezahlung unter dem üblichen Tarif sind.

Gabriel glaubt, dass die Einrichtung künftig mit Kommunen um Personal konkurrieren muss, worauf es sich vorzubereiten gilt. „Wir wollen flexibel reagieren können, was nicht heißt, weniger zu tun“, tut er kund. Laut Beckstette ist die Abhängigkeit der VHS von Aufträgen sehr groß. Zwar war die Auftragslage in den vergangen Jahren bestens, jedoch ist sie mit Blick auf die Zukunft ungewiss. Die Einrichtung stellt keine typische VHS dar, weil sie viele Aufgaben übernimmt, die weit darüber hinausgehen.
 

VHS ist noch nicht so richtig wie eine GmbH organisiert

Für Gabriel steht fest, dass zur Schaffung einer gemeinsamen Basis verlässliche Verträge nötig sind, um mit der Stadt als Gesellschafter vernünftig umzugehen, wo er Nachholbedarf sieht. Gewissermaßen begreift er es als Chance, dass mit Beckstette, der neuen stellvertretenden Geschäftsführerin und ihm als noch relativ neuen Aufsichtsratsvorsitzenden ein neuer Blick darauf gerichtet wird.

Insbesondere ist die VHS nicht so aufgestellt, wie es für eine GmbH üblich ist, was aber nicht als Kritik an ihren Vorgängern gemeint ist. Mehr als die Hälfte der Belegschaft hat sich mittlerweile laut Reske organisiert, um gegen die Missstände in Sachen Tarif vorzugehen. Dass es Verbesserungsbedarf gibt, räumt Beckstette ein.

Von der Politik, die beim Kulturausschuss für sein Befinden auf „Klassenkampfvokabular“ zurückgriff, fühlt er sich und die Gesellschaft unfair behandelt. Zum Verhalten der Politik hat Gabriel eine klare Meinung: „Zwei Jahre lautete die Taktik hinhalten und den Tarifvertrag verhindern.“ Auf jeden Fall wollen sie einen neuen Antrag erstellen, aber zuvor müssen alle Zahlen noch einmal durchgegangen werden, weil es noch Klärungsbedarf gibt.
 

Bleibt ein Tarifvertrag aus, soll die VHS wieder zur Stadt übergehen

Außerdem ist Gabriel davon überzeugt, dass es der Stadt haushaltstechnisch besser geht als wie sie es der Öffentlichkeit gegenüber darstellt. Über Tarifverträge führen zahlreiche Volkshochschulen Diskussionen mit ihren Trägern, also den Kommunen, weiß Beckstette. Er hofft, dass der Zuschuss für einen Tarifvertrag noch für den Haushalt 2021 berücksichtigt wird.

„Wenn es 2021 zur Umsetzung kommt, bin ich happy, aber noch bin ich skeptisch“, sagt Reske. Stelljes-Szukalski mahnt an: „Das Wohl der Mitarbeiter ist entscheidend. Damit steht und fällt die ganze Einrichtung.“ Falls kein Tarifvertrag zustande kommt, gibt es für Gabriel nur eine zufriedenstellende Alternative, und zwar die Rückführung der VHS in den Besitz der Stadt.
 
Bild: Dorothea Stelljes-Szukalski, Mitglied im Aufsichtsrat der VHS (v. l.) dessen Vorsitzender Robert Gabriel, VHS-Geschäftsführer Jürgen Beckstette und VHS-Betriebsratsvorsitzender Kai Reske engagieren sich für einen Tarifvertrag für die Mitarbeiter der VHS.

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