Robotik und KI in der Pflege – Interdisziplinäre Tagung im Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) in Delmenhorst

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Robotik und KI spielen auch in der Pflege eine wachsende Rolle. Im Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) in Delmenhorst haben sich Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen mit den Herausforderungen der Thematik beschäftigt.

Robotik und KI werden vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels in Zukunft auch in der Pflege stärker anzutreffen sein. Allerdings gilt überall dort, wo es um menschliche Nähe geht: Es muss Vertrauen aufgebaut werden. Kann ich als bettlägeriger Patient etwa einem Roboterarm vertrauen, der mich im Bett wendet? Oder steht zu befürchten, dass die Maschine so viel Kraft aufwendet, dass sie Knochen bricht?

Die Gegenwart: Viele Geräte stehen nur herum

Prof. Dr.-Ing. Andreas Hein, Teilnehmer der Konferenz im HWK und zugleich Leiter der Abteilung Assistenzsysteme und Medizintechnik der Uni Oldenburg, hat festgestellt, dass viele Technologien für die Pflege zwar entwickelt, aber hinterher nicht genutzt werden, sondern stattdessen nur herumstehen. Ein klassisches Beispiel sei der Lifter, ein Kran, mit dem Patienten aufgerichtet oder umgelagert werden können.

Ein Mix von Akzeptanzproblemen

Die Frage nach dem Warum treibt ihn an. „Es ist ein Mix aus Problemen“, sagt Prof. Hein. Von Seiten der Pflegekräfte heiße es oft, das Gerät müsse erst ans Bett geholt werden, die Zeit sei dafür sei aber nicht da. Darüber hinaus könne sich der Patient in der Apparatur nicht bewegen. Hinzu komme die Frage: Bekomme ich die Bedienung hin?

Technische und soziale Aspekte

Die Soziologin und Leiterin der Tagung, Prof. Dr. Gesa Lindemann von der Uni Oldenburg, die im aktuellen Semester einen Forschungsaufenthalt am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt hat, ergänzt: „Pflege ist keine rein mechanische Arbeit, es ist eine sinnliche Beziehung. Es geht auch im die Frage, wie man sich fühlt.“ Es sind also technische und soziale Werte, die für ein gutes Produkt in der Pflege unter einen Hut gebracht werden müssen.

Die Forschung läuft

An der Uni Oldenburg wird in Zusammenarbeit mit dem Roboterhersteller Kuka bereits seit mehreren Jahren an einem Roboterarm entwickelt, der Menschen im Bett wenden könnte. Fünf Millionen Euro wurden bereits in Forschung und Entwicklung investiert, sagt Andreas Hein. Bis der Robi tatsächlich auf den Markt gebracht werden könnte, müssten allerdings noch einmal rund 50 Millionen Euro investiert werden, da ein solcher Artikel eine Zulassung als Medizinprodukt benötigt.

An der Uni Oldeburg befindet sich ein Roboterarm für die Pflege in der Entwicklung. Bild: Uni Oldenburg

Die Frage nach dem Vertrauen

Doch dieses konkrete Beispiel der Robotik in der Pflege war nur ein Thema der Tagung, an der insgesamt 26 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Soziologie, Philosophie der Technik, Ethik und Technikwissenschaften teilnahmen. Es ging auch ganz grundsätzlich um das Vertrauen in die Technik in diesem Bereich.

Vertrauen in Menschen vs. Verlassen auf Technik

„Für Soziologen ist Vertrauen ein relationales Phänomen, das eine gewisse Dauer hat“, erklärt der Soziologe und Tagungsteilnehmer Hironori Matsuzaki M.A. von der Universität Oldenburg. Es sei auf andere Personen als Ganzes bezogen. Für eine Mensch-Maschine-Beziehung sei der Begriff des Vertrauens eher unangemessen. In Bezug auf die Maschine passe eher der Begriff „Verlassen“, im Englischen reliance genannt. Das Verlassen auf die Technik sei zudem nicht reziprok, also nicht wechselseitig.

Wozu dient die Technik?

Darüber hinaus wurde auch die Frage thematisiert, zu welchem Nutzen die neue Technik zum Einsatz kommen soll. Gesa Lindemann stellt die Frage: „Haben Pflegkräfte dadurch mehr Zeit oder dient die Technik nur dazu, in kürzeren Intervallen mehr Patienten zu versorgen?“ Der Einsatz von Technik jedenfalls könne nicht politische Sachzwänge lösen, so Prof. Lindemann.

 

Tagsungsteilnehmer Prof. Dr.-Ing. Andreas Hein, Hironori Matsuzaki M.A. (beide Universität Oldenburg), Prof. Dr. Gesa Lindemann (aktuell Max-Weber-Kolleg Erfurt)  sowie Wolfgang Stenzel (Head of Program SOCIETY beim HWK)

Erfolgreicher KI-Einsatz in Kanada

In Kanada, sagt Gesa Lindemann, habe es bereits einen erfolgreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz gegeben. Dort sei KI in der Krankenhausnotaufnahme bereite erfolgreich zum Einsatz gekommen. So wurde versuchsweise der Technik die Frage überlassen, welcher Fall Priorität bei der Behandlung bekommt, auch mit der Konsequenz, dass ein Patient zugunsten eines anderen womöglich nicht überlebt.

„Die Pflegekräfte haben das als gut empfunden“, so Prof. Lindemann. Ihnen wurde die Entscheidung und damit die auf ihnen lastende Verantwortung abgenommen über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Die Qualität der Entscheidungen sei nicht schlechter geworden, mehr Leute hätten dadurch überlebt.

Doch auch dort gibt es noch offene Fragen: Wer verantwortet eine Entscheidung über Leben und Tod? Lässt sich KI haftbar machen? Und wie wäre eine Fehlentscheidung zu sanktionieren? Es bleiben also noch etliche Fragen für die Wissenschaftler in den kommenden Jahren.

 

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