Teilhabechancengesetz ermöglicht Rückkehr in den Arbeitsmarkt – Reamotion ist ein praktisches Beispiel

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Mit Beginn des Jahres 2019 wurde das Teilhabechancengesetz mit innovativen Fördermöglichkeiten für Langzeitarbeitslose eingeführt. Ihnen soll mit dessen Hilfe die Rückführung auf den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Auch das Jobcenter Delmenhorst macht seither von den neuen Instrumenten Gebrauch. Über die bisherigen Erfahrungen berichteten Verantwortliche des Jobcenters beim beteiligten Unternehmen Reamotion am Donnerstag, 27. Februar.
 
„Der Gesetzgeber hat sich 2018 etwas überlegt, um Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, die Möglichkeit zur Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen“, geht Marion Denkmann, die stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters Delmenhorst, auf die Hintergründe des Teilhabechancengesetzes ein. Arbeitsstellen, die mit Langzeitarbeitslosen besetzt werden, werden finanziell gefördert. Zum Paket gehören noch die Übernahme von Weiterbildungskosten und eine intensive Betreuung durch außenstehende Coaches für die Dauer der Beschäftigung.
 

Beim Vermitteln kommt auch die Privatwirtschaft infrage

Bisher waren Maßnahmen zur Arbeitsvermittlung für Langzeitarbeitslose stets auf die soziale Wirtschaft beschränkt. Außerdem liefen diverse Programme immer nach einer gewissen Zeitspanne aus. Im Unterschied dazu eröffnete das Teilhabechancengesetz schließlich auch das Feld für die freie Wirtschaft und private Unternehmen.

Exemplarisch ist an dieser Stelle das Delmenhorster Unternehmen Reamotion zu nennen, das insgesamt drei Mitarbeiter stellt, die über die Förderung ihren Job bekamen. Im Gesetz wurden laut Denkmann mit Inkrafttreten des Teilhabechancengesetzes zwei neue Instrumente verankert. Zum einen die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen nach Paragraph 16i und zum anderen die Teilhabe am Arbeitsmarkt nach Paragraph 16e im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
 

Förderung orientiert sich am Mindestlohn oder Tarif und kann fünf Jahre erfolgen

Wer zumindest in sechs der letzten sieben Jahre Leistungen bezogen hat, kann die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen beantragen. Es geht hier darum, eine langfristige Perspektive zu gewinnen, wobei das Ziel verfolgt wird, dass der Übergang auf den freien Arbeitsmarkt gelingt.

Bis zu fünf Jahre kann die Förderung, die entweder der Höhe des jeweiligen Mindestlohns oder Tarifs entspricht, geleistet werden. Die volle Summe wird in den ersten beiden Jahren gezahlt. Danach reduziert sich der Betrag zur Unterstützung jährlich um zehn Prozent, also wird im dritten Jahr mit 90 Prozent, im vierten Jahr mit 80 Prozent und im fünften Jahr mit 70 Prozent gefördert.

Für Personen, die wenigstens zwei Jahre langzeitarbeitslos sind, steht die Teilhabe am Arbeitsmarkt bereit. In diesem Fall kann die Dauer der Förderung bis zu zwei Jahre betragen. Zu Dreivierteln wird für den Mindestlohn beziehungsweise Tarif im ersten Jahr aufgekommen und im zweiten Jahr zur Hälfte. Denkmann zufolge verfügen die Arbeitsagentur und das Jobcenter in Delmenhorst bis 2024 über insgesamt zehn Millionen Euro für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt.
 

Planungen sehen für 2020 86 Förderungen vor

Markus Behrend, der Teamleiter der Arbeits- und Jobvermittlung der Arbeitsagentur Delmenhorst, gab an, dass 2019 53 Förderungen nach Paragraph 16i vergeben wurden. In zwei Fällen wurde die Arbeit aufgenommen, ohne dass eine Förderung zustande kam, und siebenmal wurden die Programme vorzeitig abgebrochen.

Für dieses Jahr sind 50 Beschäftigungsverhältnisse mit einer Förderung geplant, wovon bereits 25 laufen. Sieben Anträge werden noch bearbeitet, weil die Arbeitsaufnahme noch jeweils bevorsteht, und ein Antrag musste aufgrund formaler Mängel abgelehnt werden. Mit Blick auf Paragraph 16e wurden im vergangenen Jahr 22 von 33 Anträgen bewilligt. Davon laufen 20 noch immer.

Dieses Jahr wird mit 36 weiteren Förderungen gerechnet. Zehn Anträge gingen bislang ein, von denen schon fünf genehmigt wurden, während für die restlichen noch der Arbeitsantritt aussteht.
 
Was läge aber näher, als dabei auch Betroffene zu Wort kommen zu lassen und sich in einem geförderten Unternehmen ein Bild zu machen? Regina Krumpe, die Teamleiterin des gemeinsamen Arbeitgeberservices der Agentur für Arbeit und des Jobcenters Delmenhorst teilt mit: „Die Coaches sind neutrale, unabhängige dritte Personen. Sie kommen, schauen, wo man unterstützen kann, und tun dies.“
 

Arbeitnehmer sind für das Coaching ein halbes oder ganzes Jahr freizustellen

Als Entlastung oder Erleichterung für die Arbeitgeber fasst Denkmann die Gespräche zwischen den Arbeitnehmern und den Coaches auf. Laut Krumpe könnten dass die Arbeitgeber nicht auch noch leisten. Denkmann offenbart zudem, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, die Teilnehmer dafür freizustellen.

Paragraph 16i sieht vor, dass die Freitstellung für ein Jahr gewährleistet wird, Paragraph 16e ein halbes Jahr. Im Fall von Reamotion findet das Coaching alle zwei Wochen bei den Betreuern statt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Gespräche im Unternehmen oder zu Hause bei den Arbeitnehmern geführt werden.

Das ursprünglich im Bremen angesiedelte Unternehmen Reamotion, das fett- und geruchslose Grill- und Gargeräte herstellt, kam nach Aussage des Geschäftsführers Emilio Reales durch den Kontakt mit dem Arbeitgeber-Service zur Teilnahme an der Förderung durch das Teilhabechancengesetz. Von insgesamt 15 Mitarbeitern sind drei dadurch bei ihm vollbeschäftigt, von denen zwei in der Fertigung und einer im Einkauf tätig sind.
 

Reamotion zahlt 300 Euro zusätzlich zum geförderten Mindestlohn

Zu den beiden in der Fertigung gehört Markus Zimmer, der seit dem 1. Juli 2019 angestellt ist, Maschinen auseinander- und zusammenbaut sowie reinigt. In den fünf bis sieben Jahren zuvor, ging er durchgehend einem Minijob auf 450 Euro Basis nach. „Herr Zimmer ist ganz gut bei uns angekommen“, konstatiert Reales.

Über das berichtet Zimmer: „Das Vorstellungsgespräch mit Herrn Reales war gut. Er hat nicht so sehr auf die Bewerbungsunterlagen geachtet, sondern sich selbst ein Bild von mir verschafft.“ Auf Anhieb hat ihm die Arbeit gelegen, obwohl er eigentlich vom Bau kommt. Dass seine drei Arbeitnehmer lediglich mit dem Mindestlohn gefördert werden, hält Reales für ein „Armutszeugnis“.

Monatlich beträgt der Mindestlohn rund 1.200 Euro. Reales beruft sich auf eine Studie, wonach eine Einzelperson 1.500 Euro verdienen sollte, um anständig über die Runden kommen zu können. Deshalb zahlt sein Unternehmen den Restbetrag, um einen Lohn von 1.500 Euro zu ermöglichen, was er als eine Art Wertschätzung versteht. „Die Motivation, wieder arbeiten zu wollen, darf nicht durch monetäre Geringschätzung zunichte gemacht werden“, meint Reales.
 
Bild: Markus Zimmer (v. l.), der über das Teilhabechancengesetz beim Unternehmen Reamotion beschäftigt ist, wurde bei der Arbeit von Marion Denkmann, der Vize-Geschäftsführerin des Jobcenters Delmenhorst, und Emilio Reales, dem Geschäftsführer von Reamotion, über die Schulter geguckt.

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