Die Akte Niels Högel – Letztes Kapitel

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Morgen beginnt vor dem Landgericht Oldenburg der wohl letzte Akt der juristischen Aufarbeitung der Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel: Insgesamt acht damalige Vorgesetzte des Mörders müssen sich wegen Tötung, versuchter Tötung und Beihilfe zur Tötung jeweils durch Unterlassen verantworten.

Högel wurde in mehreren Prozessen, zuletzt 2019, wegen des Mordes an insgesamt 87 Patienten zunächst am Klinikum Oldenburg und später am Klinikum Delmenhorst zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und sitzt seit mehreren Jahren in Haft. Zudem geht man von weiteren Opfern im dreistelligen Bereich aus, bei denen die Schuld des Täers jedoch nicht mehr nachgewiesen werden kann. Im Rahmen des neuen Prozesses müssen sich nun die ehemaligen Vorgesetzten des Mörders aus beiden Kliniken wegen Tötung, versuchte Tötung und Beihilfe zur Tötung jeweils durch Unterlassen verantworten. Den Oldenburger Verantwortlichen wird vorgeworfen, die Polizei nicht eingeschaltet zu haben und Högel nach Delmenhorst „weggelobt“ zu haben, obwohl es starke Indizien für erste Taten gab. Die Angeklagten, die im Delmenhorster Klinikum beschäftigt waren, stehen wegen des Vorwurfs vor Gericht, der Pfleger sei auf frischer Tat bei einem Mord ertappt worden und habe trotzdem weiterarbeiten dürfen.

Quasi-Erlaubnis für Serienmord

Christian Marbach, Sprecher der Angehörigen der Opfer, hat hohe Erwartungen an den Prozess und erhebt massive Vorwürfe an die Verantworlichen. Nun gehe es darum, unter welchen Rahmenbedingungen eine solche Mordserie entstehen konnte. So sei Högel angesichts ansteigender Todeszahlen bereits früh in Verdacht geraten und sogar eine „Todesliste“ sei geführt worden – dennoch hätten seine Vorgesetzten nicht die Polizei informiert. Schließlich sei der Mörder mit einem sehr guten Zeugnis ausgestattet worden und nach Delmenhorst gegangen, wo er den größten Teil der Taten beging. Marbach geht davon aus, dass man in Oldenburg Angst um die Folgen für das Krankenhaus hatte, falls die Morde öffentlich bekannt geworden wären: „Das Management hat klar entschieden, dass das Image und die Wirtschaftlichkeit höherwertiger sind als das Leben der anvertrauten Patienten“, man trage daher in Oldenburg auch Verantwortung für die Taten an der zweiten Klinik. „Der Leiter der Soko Kardio hat sehr klar gesagt: Wenn sie in Oldenburg angerufen worden wären, hätten sie den Täter überführen können und die Morde in Delmenhorst wären nicht passiert“, so der der Sprecher der Angehörigen. Und fügt hinzu, dass Högel durch das Nichteingreifen der Oldenburger Verantwortlichen „quasi eine Erlaubnis für seine Serienmorde“ bekommen habe. Auch in Delmenhorst sei Högel rasch aufgefallen und wurde sogar bei einer Tat von Kollegen beobachtet. Doch auch dies führte nicht dazu, dass die Polizei verständigt wurde; der Pfleger durfte sogar zunächst weiterarbeiten.

Fehlverhalten auch bei der Justiz?

So habe Högel – dem Marbachs Einschätzung zufolge klar war, dass man wusste, was er tat – immer wieder das Signal bekommen, dass er weitermachen könne. Nach den ersten Ermittlungen der Polizei, die schnell verdeutlichten, dass es sich um eine Mordserie ungeahnten Ausmaßes handeln könnte, habe es der Meinung des Opfervertreters nach immer wieder Verschleierungen, Unterdrückungen und Lügen gegeben – auch bei der Justiz, so dass zahlreiche Vorwürfe strafrechtlich keine Relevanz mehr haben, weil sie schlicht und einfach verjährt sind. Die nun angeklagten Personen, die bereits in früheren Prozessen als Zeugen auftraten, hätten zudem bei diesen Gelegenheiten „nichts zur Aufklärung beigetragen“; auch die ungewöhnliche Todesliste sei erst mit mehrjähriger Verspätung aufgetaucht.

Christian Marbach geht davon aus, dass es zu Verurteilungen kommen wird, will aber keine Einschätzung zu den möglichen Strafen abgeben. Besondere Hoffnung legt er in dem Prozess ungewöhnlicherweise auf Högel selbst, da der die meisten Informationen habe: „Er hat mir persönlich in einem Schriftwechsel versprochen, alles ans Licht zu bringen“, berichtet Marbach. „Das ist etwas, das den Angeklagten massiv gefährlich werden kann!“

Bild: Christian Marbach, Sprecher der Angehörigen der Opfer, hat hohe Erwartungen an den Prozess und erhebt massive Vorwürfe an die Verantwortlichen. Bildquelle: NonstopNews

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert