Wieland Schönfelder im Haus Coburg

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Unter der titelgebenden Frage „Was ist verloren?“ zeigt die Städtische Galerie Delmenhorst ab kommenden Freitag die erste institutionelle Einzelausstellung des Berliner Künstlers Wieland Schönfelder im Dialog mit einer Figurinen-Mappe von El Lissitzky, die 1923 in Hannover entstanden ist.

Wieland Schönfelder arbeitet mit einem szenischen Verständnis von Skulptur, die ebenso gut Installation genannt werden könnte, da sie die Grenzen zwischen Figur, Raum und bewegtem Bild gekonnt ignoriert. Dabei greift der Berliner Künstler auf Motive zurück, die vertraut erscheinen und an Märchen, Western-Filme oder auch Theaterstücke erinnern. Erst auf den zweiten und dritten Blick wird deutlich, dass der Betrachter zwischen Erzählfetzen steht, die keine lineare Geschichte, keinen Höhepunkt und keine Konfliktlösung, aber eine sehr prägnante Stimmung, anbieten. Seine Figuren gleichen Gliederpuppen, die flexibel in verschiedene Haltungen gebracht werden können. Häufig verharren sie bei Schönfelder in expressiver körperlicher Aggression oder sexualisierten Posen und mimen heftige Gefühlsregungen.

Der Ursprung liegt im Theater

Es ist den Figurengruppen anzusehen, dass ihr Ursprung im Theater liegt, denn das ist der biografische Hintergrund des Künstlers. Schönfelder hat bereits als Kind Theater gespielt, stand beim Jugendtheater der Volksbühne in Berlin auf der Bühne, studierte in Wien Schauspiel und arbeitete für diverse Film- und Theaterproduktionen. Nicht zuletzt dadurch gelingen ihm Inszenierungen, die dramaturgisch alle Register ziehen und im Ausstellungsraum neu und überraschend auftreten. Für die Ausstellung im Haus Coburg hat er eine neue Werkgruppe entwickelt, die eine Figurinen-Mappe von El Lissitzky zum Ausgangspunkt hat. Diese Mappe ist 1923 auf Einladung der Kestner Gesellschaft in Hannover entstanden. El Lissitzky konzentriert sich darin auf eine Oper von Michael Matjuschin, die 1913 unter dem Titel „Sieg über die Sonne“ in Moskau erstaufgeführt wurde. Thema dieses Bühnenwerks ist das Fortschrittsstreben der Menschheit, die bei ihren hochgesteckten Zielen sogar die Sonne vom Himmel holt und besiegt. Der Preis für diesen Pyrrhussieg sind Orientierungslosigkeit und Chaos.

Utopie und Melancholie

El Lissitzky konstruierte neun Protagonisten der Oper aus geometrischen Grundformen, die eine mehrdimensionale Beweglichkeit suggerieren und Perspektiven ignorieren. Als wichtiger Vertreter der russischen Avantgarde verfolgte er in den 1920er-Jahren noch eine positivistische Vision von utopischer Gesellschaft. Während die prototypischen Figurinen bei El Lissitzky darum eine zukunftsorientierte Aufbruchsstimmung vermitteln, steht die Trauer und Melancholie im Zentrum der Installation von Wieland Schönfelder. Nicht der Sieg über die Sonne, sondern ihr Verlust ist in seiner Bearbeitung das zentrale Motiv. Die Folgen sind für die Figuren nicht kalkulier- oder absehbar, und die individuelle Verunsicherung bekommt gesellschaftliche Dimensionen. Die Städtische Galerie Delmenhorst zeigt einen künstlerischen Dialog, bei dem es um das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft und letztlich um die gesellschaftliche Relevanz der Kunst geht.

Bild: Der Berliner Künstler greift auf Motive zurück, die vertraut erscheinen. Bildquelle: Wieland Schönfelder

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