JHD reagiert auf den Pflegenotstand – Bislang wurden 15 Fachkräfte aus dem Ausland rekrutiert

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

In Deutschland herrscht Fachkräftemangel, was sich in mehreren Gesundheitsberufen bemerkbar macht. Damit geht ein Pflegenotstand einher, der auch Delmenhorst betrifft. Um dem etwas entgegenzusetzen, initiierte das Josef-Hospital Delmenhorst (JHD) im vergangenen Jahr ein Projekt zur Rekrutierung von Pflegefachpersonal aus dem Ausland. Vor kurzem ließen die Projektverantwortlichen und drei ausländische Fachkräfte von ihren gesammelten Erfahrungen teilhaben.
 
„Frau Becker und ich haben letztes Jahr mit dem Projekt begonnen“, berichtet Christa Ibelings, die Pflegedienstleitung am JHD. Bei Aline Becker handelt es sich um die Assistenz der Geschäftsführung des JHD, die auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und seit diesem Monat noch zusätzlich die kaufmännische Führung innehat. Zu ihrer beider Unterstützung gesellte sich im Verlauf des Projekts Olaf Mehlis, Zuständiger für Personalmarketing und -entwicklung, dazu.
 

Bis zur Einreise ausländischer Fachkräfte verging ein halbes Jahr

Nach eigener Aussage ist er zur Hälfte noch selbst als Krankenpfleger auf der Station im Einsatz. Mehlis kümmert sich im Projekt um die Personalgewinnung und Integration der neuen Mitarbeiter. Angesichts der Problematik, trotz der hauseigenen Krankenpflegeschüler hierzulande nicht genug Pflegefachkräfte aufzutreiben, geht es bei dem Projekt vorrangig darum, frühzeitig Fachpersonal zu gewinnen.

Ibelings teilt mir: „Wir haben den zusätzlichen Bedarf ermittelt, um die Abteilungen gut besetzen zu können.“ Bereits im März oder April 2019 erfolgte die erste Kontaktaufnahme, wozu auf die Vermittlung über diverse Agenturen und Firmen zurückgegriffen wurde, da bewusst auch ganz verschiedene Länder ausgesucht wurden.

Mit Absicht wurde die Wahl so getroffen, damit Erkenntnisse darüber erzielt werden, wo es gut funktioniert und wo sich Schwierigkeiten auftun. Für Ibelings ist klar, dass Deutschland ein besonderes Land darstellt. Der Wohlfühlfaktor, die Integration und Freizeitgestaltung, sowie das Fehlen der eigenen Familie werden auch berücksichtigt. Ein halbes Jahr verstrich laut Ibelings von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Ankunft des Fachpersonals aus dem Ausland.
 

Anerkennung ist erst nach einem knappen Jahr möglich

Außerdem wird darauf geachtet, mindestens zwei bis drei Personen aus ein- und demselben Land anzuwerben, damit sie jemanden haben, mit dem sie sich auf ihrer Landessprache unterhalten können. In ihren Heimatländern lernen sie zuvor Deutsch auf B2-Niveau. Hier wird ihnen noch zusätzlich die Fachsprache beigebracht.

„Alle Fachkräfte, die wir holen, sind hochqualifiziert, und die meisten von ihnen absolvieren Studiengänge von drei bis fünf Jahren“, beteuert Ibelings. Sie weist darauf hin, dass die ausländischen Pflegefachkräfte und Hebammen in Deutschland noch ein Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen. Ibelings offenbart: „Es dauert fast ein Jahr bis zur Anerkennung.“

Für dieses Jahr wurde ursprünglich das Ziel gesetzt, 20 ausländische Pflegefachkräfte im JHD zu beschäftigen, wie Becker kundtut. Da es sich nicht völlig problemlos gestaltete, sind momentan deren neun tätig. Es waren schon einmal elf, jedoch war bei zwei ausländischen Mitarbeitern das Heimweh so groß, dass sie schon wieder zurückgekehrt sind. Vier weitere Kandidaten stehen in der Warteschleife und müssen sich coronabedingt noch gedulden.
 

Hebamme aus Bosnien hilft zurzeit im Kreissaal mit

„Wir möchten weiter Pflegekräfte aus dem Ausland rekrutieren“, bekennt Becker. Zum aktuellen Personal zählen der Krankenpfleger Mohamed Mehdi Elgolli (25) aus Tunesien, die Krankenschwester Jeufeil Laurente von den Philippinen und die Hebamme Amra Mujezinovic (26) aus Bosnien und Herzegowina. Die beiden erstgenannten bestanden ihre Anerkennung im vergangenen Monat.

Hingegen kann Mujezinovic derzeit bloß als Pflegehelferin im Kreissaal arbeiten, weil ihre Anerkennung erst nächstes Jahr bevorsteht. Seit 20 Monaten ist sie in Deutschland. Zunächst kam die 26-Jährige für ein Jahr als Au-Pair, um das Land kennenzulernen und sich sprachlich zu verbessern. Über eine bosnische Agentur wurde sie bei ihrer Arbeitssuche an das JHD vermittelt.

Dass Delmenhorst keine Großstadt ist, gefällt der Bosnierin, weil sie sich so besser zurechtfindet. Sie gibt zu: „Anfangs bin ich immer müde nach Hause gegangen, weil ich den ganzen Tag Deutsch gehört habe. Nach ein oder zwei Monaten war das vorbei.“ In ihrer Heimat absolvierte Mujezinovic eine vierjährige Ausbildung zur Hebamme. Obwohl diese hier ein Jahr weniger dauert, sieht sie den Vorteil, dass der Praxisanteil größer ist. Unter den Kandidaten, die demnächst dazustoßen, ist auch ihre Schwester.
 

Tunesier betreibt Krankenpflege auf Station 25

Auf Station 25 geht Elgolli beinahe seit zehn Monaten seiner Tätigkeit nach. Ihm fiel die Integration nach eigener Aussage zuerst sehr schwer, was unter anderem an der Kultur, Sprache und Vorgangsweise auf der Station lag. Ohne die Hilfe der Kollegen wäre der 25-Jährige aufgeschmissen gewesen, der sich auf Arabisch, Französisch und Deutsch verständigen kann.

Verglichen mit dem Gesundheitssystem in Tunesien hält er das deutsche für deutlich besser, wofür er die Finanzierung und Organisation sowie die grassierenden Korruption in der Heimat als Begründung anführt. „Wir haben viele kompetente und engagierte Krankenpfleger“, sagt Elgolli. Im Anschluss an das Abitur studierte er für drei Jahre an der Universität und ist seither examinierter Krankenpfleger.

Für diesen Beruf gibt es in Deutschland lediglich eine Ausbildung. Der Tunesier bewohnt ein Einzelzimmer im Wohnheim des JHD. Mangels Kochkenntnissen ist er darauf angewiesen, entweder Essen zu bestellen oder auswärts essen zu gehen, worüber er sich selbst ärgert. Neben dem kulturellen erlebte Laurente auch einen klimatischen Schock, als sie im November eintraf, da sie Winter von den tropischen Philippinen überhaupt nicht kannte.
 

Krankenschwester von den Philippinen versorgt Patienten auf Station 44

Sie gesteht: „Nach dem ersten Monat wollte ich gleich wieder zurück.“ Auf Station 44 der Inneren Medizin ist die Krankenschwester aktiv. Während des ersten Monats litt sie aufgrund ihrer damals noch nicht so umfangeichen Deutschkenntnisse unter Angst. „Gottseidank haben die Kollegen viel Geduld mit mir und erklären mir alles“, die Philippinerin.

Glücklicherweise hat sie sich nach zwei Monaten an alles gewöhnt, was ihr zuvor unbekannt gewesen war. Im Krankenhaus hat Laurente Ihrer Meinung eine neue Familie gefunden. JHD-Geschäftsführer Florian Friedel spendierte ihr gegen das Heimweh sogar einmal traditionelles philippinisches Essen, darunter auch ein fermentiertes Entenei.

Vier Jahre und ein Sommersemester verbrachte die Krankenschwester mit dem Studium an der Universität. Auch sie erkennt das deutsche Gesundheitssystem als viel besser an, schränkt aber ein, dass sie aus einem Land der dritten Welt stammt. Hier gelten viel höhere hygienische Standards als auf den Philippinen. Beispielsweise werden Handschuhe, die in Deutschland nur einmalig verwendet werden, dort zweimal benutzt. Becker und Ibelings nahmen Laurente am Flughafen in Empfang.
 

Unter der Woche geht es zweimal zum Deutschkurs

„Es war uns wichtig, dass immer jemand von uns die Fachkräfte abholt oder sonst jemand von der Pflege einspringt“, äußert sich Becker dazu. Zusätzlich begrüßte auch der Hausmeister und Techniker, der für das Wohnheim verantwortlich ist, alle Neuankömmlinge persönlich. Hilfestellung für den Einkauf wurde laut Ibelings ebenfalls gegeben.

Zweimal pro Woche findet nach Angaben von Mehlis ein Deutsch-Kurs in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule (VHS) und dem Institut für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege (IWK) statt. Becker lässt verlauten: „Wir versuchen, immer gute Ansprechpartner zu sein und uns zu kümmern.“ Mehlis betont: „Wir haben ein Interesse daran, dass sich die Kollegen hier wohlfühlen.“

Sowohl unter der Belegschaft als auch den Patienten existierten zu Beginn Vorbehalte gegen die ausländischen Pflegefachkräfte. Rasch setzte sich aber bei allen Beteiligten die Erkenntnis durch, dass sie den Betrieb bereichern. Den Umstand, dass nun mehr unterschiedliche Sprachen von den Mitarbeitern am JHD beherrscht werden, bewertet Mehlis positiv, weil auch zunehmend Patienten behandelt werden, die der deutschen Sprachen kaum mächtig sind.
 

Altersdurchschnitt in der Pflege zwingt zum Handeln

Zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte drängt Ibelings zufolge auch das hohe Durchschnittsalter der Belegschaft in der Pflege. Mit jährlich bis zu 19 Auszubildenden kann der Bedarf an Pflegefachpersonal in den drei Fachgebieten, Alten-, Kinder- und Krankenpflege allein nicht gedeckt werden. Weiterhin gehen einem Pflegberuf hauptsächlich Frauen nach.

„Viele scheiden nach der Elternphase aus“, weiß Ibelings. Über das den Arbeitnehmern sehr entgegenkommende Angebot einer Springerphase bemüht sich das JHD junge Pflegefachkräfte, die Eltern geworden sind, zu halten. Obendrein kommt es bei älteren Kollegen zu krankheitsbedingen Ausfällen. Ibelings versichert: „Es wird jede deutsche Fachkraft eingestellt, die sich bewirbt. Es gibt nur zu wenige.“

 
Bild: Mohamed Mehdi Elgolli (vorne v. r.) Amra Mujezinovic und Jeufeil Laurente gehören zu den ausländischen Pflegefachkräften und Hebammen, die am JHD arbeiten. Für das Projekt zu ihrer Anwerbung sind Aline Becker (hinten v. r.), Assistenz der Geschäftsführung am JHD sowie Zuständige für die kaufmännische Führung und die Öffentlichkeitsarbeit, Olaf Mehlis, Zuständiger für Personalmarketing und -entwicklung, und Pflegedienstleiterin Christa Ibelings verantwortlich.

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert