Wirtschaftsempfang in der Markthalle – Chancen sowie Hinweise auf Probleme

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Am Donnerstagabend fand in der Markthalle der Wirtschaftsempfang des Fördervereins der örtlichen Wirtschaft statt. Als Gastredner hatte der Verein Alexis Angelis vom Architekturbüro Angelis & Partner aus Oldenburg gewonnen, der anhand des von ihm mit auf den Weg gebrachten Coworking Spaces „Core“ zeigte, welche Möglichkeiten sich für eine leerstehende Großimmobilie wie das Hertie-Gebäude bieten kann. Fördervereinsvorsitzender Wolfgang Etrich nutzte die Gelegenheit, um auf bestehende Missstände in der Stadt hinzuweisen.

„Ich habe meinen Ruf als Abriss-OB gefestigt“, sagte Axel Jahnz in seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung. Im Hinblick auf die Projekte Hertie-Immobilie und Marienviertel schrieb er dem neuen Stadtrat ins Stammbuch: „Planen Sie sorgfältig.“ Es seien Planungen, die für drei Generationen relevant seien. Auch das neue Krankenhaus mit seinem Gesamtvolumen von 180 Millionen Euro wartet als positive Herausforderung. „So ein Invest bekommen Sie als Chance kein zweites Mal“, so Jahnz. „Diese Stadt hat einen guten Weg vor sich“, zeigte sich der scheidende Oberbürgermeister überzeugt.

Innenstadtkaufkraft dank unterdurchschnittlicher Mieten

Anschließend zeigte Wolfgang Etrich, Vorsitzender des Wirtschaftsfördervereins in seinem Redebeitrag verschiedene Punkte auf, wo es in der Stadt hakt. Delmenhorst habe eine Kaufkraftkennziffer von 84 Prozent, bei der Einzelhandelskaufkraft liege man aufgrund etwas unterdurchschnittlicher Mieten aber bei 93,5 Prozent, wodurch etwas mehr für Konsum zur Verfügung stehe – mit diesem Wert liege man auf dem Niveau von Cloppenburg und Bremen. Einzelhandelskaufkraft sei also vorhanden, so Etrich. Im Umkreis von 20 Minuten Fahrzeit gebe es 220.000 Einwohner.

Sorge um junge Arbeitslose – Chancen nutzen

„Wir haben eine hohe Arbeitslosenquote“, so Etrich. Im September habe die Arbeitslosenquote bei 9,7 Prozent gelegen. „Was uns ein bisschen Sorge macht: Unter 25 Jahren sind 11 Prozent der Bürger arbeitslos. Was steckt denn da für ein Potenzial dahinter?“, fragt Etrich. 27 Prozent der ausländischen Mitbürger seien arbeitslos, die Kinderarmut liege bei 27 Prozent. Etrich sagte, man könne das von zwei Seiten sehen. Der Zustand sei nicht optimal, ja, aber man könne das auch dahingehend sehen, welche Chancen dahinter liegen, dass es viele Menschen gebe, die in Zukunft vielleicht einen Schritt weiter gehen, als sie ihn momentan gehen. Weitere Themen seien Fachkräftemanngel und Digitalisierung.

„Nicht alles doppelt diskutieren“

Etrich wies auch auf die Problematik hin, dass in Delmenhorst Dinge auch mehrfach diskutiert würden, obwohl die Problematik längst geklärt sei. Als Beispiel zeigte er einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Feste Veranstaltungsbühne auf Hotelwiese steht zur Diskussion“ aus dem September 2021. Zeitgleich wies er auf eine Machbarkeitsstudie für eine Veranstaltungsbühne auf der Burginsel hin, die bereits im Januar 2009 von der Firma CIMA erstellt worden war. „Hat ungefähr 20.000 Euro gekostet“, so Etrich. „Tun Sie uns bitte einen Gefallen, lassen Sie uns nicht alles doppelt diskutieren.“ Daraufhin brandete spontaner Applaus auf.

Konzertierte Vorgehensweise von Politik, Verwaltung, Wirtschaft gefordert

Gegenseitige Vorwürfe brächten einen nicht weiter, so Etrichs Tenor: „Wir brauchen eine konzertierte Vorgehensweise, alle müssen zusammenarbeiten, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, alle Stakeholder, die was mit Delmenhorst zu tun haben.“

Fünf Offensiven

Etrich nannte im Folgenden fünf Punkte, die aus Sicht der Wirtschaft angeschoben werden sollten. Erstens: eine Gewerbeflächenoffensive. Flächen auf der grünen Wiese stünden aber nicht zur Verfügung. Laut Etrich liegen die Chance für Flächen im Bestand, also zu schauen, ob es bei Betrieben mittelfristig Veränderungen gebe, ob sie sich verkleinern oder verändern wollten. Das könne nicht kurz-, sondern nur mittelfristig geschehen. Als zweiten Punkt nannte Etrich eine Digitalisierungsoffensive mit einem Ausbau der Infrastruktur sowie einer Unterstützung für Delmenhorster Unternehmen. Auch eine langfristig bessere Digitalisierung der Stadtverwaltung schwebt Etrich vor, der als positives Beispiel für eine Bauverwaltung die Stadt Hannover nennt, wo Antragsteller sich digital über den Stand ihres Bauantrages informieren können.

Als dritten Punkt benannte Etrich eine Qualifizierungsoffensive. „Es bleiben viele Potenziale liegen in Delmenhorst.“ Die Frage sei zum Beispiel, wie man junge Leute arbeitsplatzfähig kriege. „Es kann doch nicht sein, dass 11 Prozent der unter 25-Jähirgen arbeitslos gemeldet sind.“ Ein weiteres Thema sei es, Menschen die neu zugezogen seien, weil sie vielleicht geflüchtet sind, in produktive Arbeit zu bekommen und zu qualifizieren. Auch Menschen, die schon viele Jahre tätig sind, zu qualifizieren, um sie fit für die Digitalisierung zu machen, sei eine Aufgabe.

Als vierten Punkt brachte Etrich eine Zusammenarbeitsoffensive von Wirtschaft und Verwaltung ins Spiel. „Hier geht es darum konstruktiv zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen.“ So wisse Etrich, dass zur Wahrheit auch gehöre, dass nicht alle Bauanträge so lange dauerten, weil die Verwaltung langsam arbeite, sondern manche Architekten schludrig die Unterlagen einreichten oder mancher Bauherr Anforderungen habe, die gar nicht umzusetzen seien.

Kulturfrage: Wie sieht sich die Verwaltung?

Das sei auch eine Kulturfrage, so Etrich: „Sieht sich die Verwaltung als eine Institution, die das Befolgen der Regeln überwacht oder als eine Institution, die Vorwärtsbewegung ermöglicht.“ Als Positivbeispiel aus eigener Erfahrung nannte Etrich den Änderungsantrag einer Kirchengemeinde in Delmenhorst, der fehlerhaft eingereicht worden sei. Von der Verwaltung sei man aber per E-Mail darauf hingewiesen worden, wie es stattdessen richtig geht. „Perfekt!“, so Etrich.

Innenstadtoffensive

Last but not least forderte Etrich eine Innenstadtoffensive.  Es gehe darum, strukturell zu analysieren, was die Menschen in Zukunft an Angeboten brauchen und wie man mit den aktuellen Möglichkeiten und Flächen die Innenstadt zukunftsorientiert umbauen könne. „Das ist nicht ganz trivial“, so Etrich. Denn man müsse Lösungen schaffen, obwohl man noch gar nicht weiß, wie die Bedürfnislage in fünf oder zehn Jahren aussieht. „Daher muss man hier und da auch ein wenig experimentieren.“

Alexis Angelis: „Die Stadt neu denken“

„Die Stadt neu denken“ hatte sich schließlich als Gastredner der Architekt Alexis Angelis von Angelis & Partner aus Oldenburg auf die Fahne geschrieben. Sein Credo: die Innenstädte mit Leben zu füllen. Die Gesellschaft befinde sich in einem radikalen Wandel – vom Besitzer zum User. Während man früher noch Schallplatten und CDs besessen habe, würde man heute Songs bei Streamingdiensten hören und auch die Mobilität wandele sich. Vor einem Konzertbesuch habe Angelis beobachtet, wie junge Leute mit einem Carsharing-Auto bis vor die Veranstaltungshalle gefahren seien, dort ein bereits abgestelltes Fahrzeug des gleichen Anbieters per Handy geöffnet und leicht versetzt hätten, um etwas mehr Platz für das zusätzliche Auto zu schaffen. „Das fand ich smart“, so Angelis.

„Core“ in Oldenburg

In Oldenburg hat Angelis zusammen mit anderen Investoren das ehemalige CCO-Gebäude gekauft und einer radikalen Nutzungswandlung unterzogen. Unter dem Namen „Core“ (engl. f. Kern) wird es heute als Co-Working-Space mit Markthalle und Veranstaltungsflächen genutzt. Diese Innovation habe für Leben gesorgt. Man müsse den Wandel als Chance begreifen und die Veränderung umarmen, so Angelis.

„Kreativität ist der Rohstoff der Zukunft

„Kreativität ist der Rohstoff der Zukunft“, so Angelis. Als Städte wie Delmenhorst oder Oldenburg eine Großstadt wie Hamburg oder Berlin imitieren zu wollen, sei nicht sinnvoll, „man muss ein eigens Profil entwickeln.“ Den Menschen gemeinsam sei ein Bedürfnis nach Gemeinschaft, so Angelis. Hybride Nutzungen, neue Inhalte, Kleinteiligkeit und Vielseitigkeit, Individualität und Spezialisierung können eine Stadt voranbringen, so Angelis. „Das Erlebnis ist wichtig.“ Beim Core in Oldenburg gebe es auf 2.274 Quadratmetern 140 Arbeitsplätze aus verschiedensten Bereichen. Beim anschließenden Buffet vom Hotel Thomsen hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, über das Gesagte zu diskutieren und neue Kontakte zu knüpfen.

Bild oben:

Die Gastgeber vom Förderverein der örtlichen Wirtschaft (v.l.): Wolfgang Etrich (Volksbank Delmenhorst-Schierbrok), Andreas Vogler (Kristensen Invest), Petra Kosten (inkoop), Thorsten Schulze (DK Medien) zusammen mit Gastredner Alexis Angelis (3.v.l.)

 

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