Über die Zulassung der Anklage gegen fünf Ex-Högel-Vorgesetzte in Oldenburg wurde entschieden

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Nur zum Teil und mit abweichender rechtlicher Beurteilung wurde die Anklage gegen fünf teils ehemalige Mitarbeiter oder Verantwortliche des Klinikums Oldenburg zum Hauptverfahren zugelassen. Diese Entscheidung traf gestern, 26. April, die Schwurgerichtskammer des Landgerichts (LG) Oldenburg. Ihnen wird vorgeworfen, trotz der Kenntnis von den Machenschaften des Patientenmörders Niels Högel diesen nicht an seinen Taten gehindert zu haben.
 
Bereits im September 2019 erhob die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage gegen das Quintett. Verbunden ist das Verfahren mit der Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel und bezieht sich dabei auf drei Todesfälle im Klinikum Oldenburg sowie 60 Todesfälle im Josef-Hospital Delmenhorst (JHD). Unter den Angeschuldigten sind ein ehemaliger Geschäftsführer, ein ehemaliger ärztlicher Leiter der kardiologischen Intensivstation, ein Leiter des Bereichs Pflege der kardiologischen Intensivstation, eine ehemalige Pflegedirektorin und ein ärztlichen Leiter der Anästhesiestation des Klinikums Oldenburg.
 

Mordfälle am JHD bleiben beim Verfahren gegen die fünf Beschuldigten außen vor

Zur Last gelegt wird ihnen von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift Totschlag durch Unterlassen. Eine mögliche Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung oder der Nichtanzeige geplanter Straftaten wird aufgrund von Verjährung bei der Anklage nicht behandelt. Im Zwischenverfahren musste die Schwurgerichtskammer bestimmen, ob der Verdacht des Totschlags durch Unterlassen bei den Angeschuldigten auf Basis des ihr unterbreiteten Akteninhalts hinreichend ist.

Was die 60 Todesfälle am JHD anbelangt, erteilte die Kammer der Anklage keine Zulassung. Der Anklagevorwurf besteht darin, dass die Angeschuldigten Morde an Patienten durch Högel vereiteln hätten müssen, indem sie persönlich eingreifen oder die Ermittlungsbehörden darüber in Kenntnis setzen. Seitens der Kammer wird die Ansicht vertreten, dass diese als Beschäftigte am Klinikum Oldenburg mit Hinblick auf die Patienten im JHD nicht dazu verpflichtet waren.

Somit mangele es an der „Garantenstellung, die für eine Strafbarkeit wegen eines Unterlassungsdelikts nötigt ist. In der Verantwortung der Angeschuldigten habe ausschließlich das Wohlergehen der Patienten gelegen, mit denen sie im Klinikum Oldenburg betraut waren. Gegenüber den Patienten des JHD habe es keine Schutzpflichten gegeben. Bewahrheitet sich der
in der Anklageschrift beschriebene Sachverhalt, kann dennoch bezüglich der Todesfälle im JDH aus rechtlichen Gründen keine Verurteilung erfolgen.
 

Anklage des Leiters der Anästhesiestation wurde komplett abgelehnt

Angesichts des Umstands, dass der Anklagevorwurf gegen den Leiter der Anästhesiestation bloß Todesfälle im JHD betrifft, fand die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen diesen Angeschuldigten keine Zustimmung der Schwurgerichtskammer. Gegen die übrigen vier Angeschuldigten eröffnete die Kammer das Verfahren in Bezug auf die drei Todesfälle im Klinikum Oldenburg mit der Änderung, dass eine Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen infrage komme.
 

Mittäterschaft kommt bei den Angeklagten nicht in Betracht

Die Tatsache, dass die Angeschuldigten laut Anklagevorwurf die Gelegenheit gehabt hätten, Högel zu stoppen, lasse sie rechtlich nicht als Täter dastehen. Aus dem Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, dass sie die Taten des voll verantwortlichen und eigenständig agierenden Begehungstäters Högel übernehmen wollten.

Für die Eröffnung des Hauptverfahrens liege der genügende Verdacht vor, dass die Angeschuldigten, denen Högels Taten in Wirklichkeit unliebsam waren, besorgt um ihr persönliches Ansehen, das der Station oder der Klinik diesem keinen Einhalt boten und somit indirekt geholfen haben könnten. Zudem sei den Angeklagten nicht bekannt gewesen, zu welchen Zeitpunkten Högels Aktionen welche Personen beträfen, und hätten daher seine Taten nicht beeinflusst.

Entsprechend seien die Angeschuldigten keine Mittäter, sondern lediglich als Gehilfen von Högel in Erwägung zu ziehen. Gegen die Ablehnung des Hauptverfahrens im Falle des Leiters der Anästhesiestation können die Staatsanwaltschaft und Nebenkläger von Rechtsmitteln der sofortigen Beschwerde Gebrauch machen. Mit einer sofortigen Beschwerde müsste sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg auseinandersetzen.
 
Bild: Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Oldenburg ließ gegen vier von fünf angeklagten ehemaligen Vorgesetzen von Patientenmörder Niels Högel am Klinikum Oldenburg mit angepasster rechtlicher Bewertung das Hauptverfahren eröffnen.

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