Über 70-Jährige mit zwei Putzstellen

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In ihrer Beratungsarbeit haben sie schon vieles erlebt: die zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Allgemeinen Sozialberatung“ der Caritas im Oldenburger Land. Aber was sie jetzt hören und sehen, ist für viele neu. Sarah Junge aus Delmenhorst beispielsweise hat noch nie zuvor so viele Lebensmittelgutscheine verteilen müssen.

„Die Menschen fürchten sich vor der kommenden Abrechnung“, berichtet die Delmenhorster Caritas-Mitarbeiterin. Noch nie habe sie so viele Lebensmittelgutscheine verteilt; bei der Delmenhorster Tafel erlebe sie lange Schlangen. Ihre Beobachtung: „Ein Versorger pro Familie reicht nicht mehr.“ Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihr eine Mutter, die Bezüge vom Jobcenter erhalte. Ihr Kind musste die Frau regelmäßig zur Logopädie bringen. Die Fahrkarte dorthin hätte sie sich nicht mehr leisten können, sagt Junge. Und berichtet von Kindern, für die es gegen Ende des Monats nur noch ältere Waffeln zu essen gab. In 80 Prozent der Fälle tauche das Thema ‚Energiekosten‘ auf.  Nicht selten erscheinen junge Alleinstehende in den Sprechstunden, aber auch einsame Ältere, die sich überfordert fühlen. Senioren mit 1100 Euro Rente hätten keinen Anspruch auf Unterstützung und könnten die Energiekosten nicht mehr stemmen. So komme es vor, dass eine über 70-Jährige noch zwei Putzstellen hätte. Auch alleinstehende Männer mit Migrationshintergrund fänden sich unter den Klienten, die generell einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen würden. Wobei insbesondere Trennung und Scheidung nach wie vor ein Armutsrisiko bergen – unbezahlbarer Wohnraum käme obendrauf.

Immer mehr Menschen aus der Mittelschicht betroffen

Allen Beraterinnen ist klar: „Ersparnisse haben definitiv die wenigsten unserer Klienten.“ Auch hätten die Caritas-Mitarbeitenden früher dazu geraten, hier und da noch zu sparen. Heute wissen sie: „Es gibt für unsere Personengruppe kaum noch Möglichkeiten, zu sparen.“ Verschärft werde das Problem dadurch, dass arme Menschen oft einfache, schlecht isolierte Wohnungen hätten, deren Nebenkosten sie manchmal „regelrecht auffressen“. Für die Zukunft rechnet Dietmar Fangmann, Fachberater beim Landes-Caritasverband für Oldenburg, damit, dass immer mehr Menschen aus der Mittelschicht zur Caritas kommen werden: „Es geht inzwischen nicht mehr um die Kinokarte für den Sohn, die nicht mehr bezahlt werden kann. Inzwischen geht es um Lebensmittel!“

Bild: Wenn am Ende des Geldbeutels noch viel Monat da ist: Die Not ist in den Caritas-Beratungsstellen angekommen Bildquelle: Kattinger

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