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Showdown im Stadtrat: Hauchdünne Ablehnung der Krankenhaus-Übernahme – Volle Zuschauerränke bei emotional geführter Debatte – Live-Video

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Mit dem knappsten denkbaren Ergebnis hat der Stadt heute, 26. Januar, in einer Sondersitzung gegen die Übernahme des Josef-Hospitals Delmenhorst (JHD) durch die Stadt gestimmt. Die von der Verwaltung vorgelegte Streichungsliste in Höhe sechs Millionen Euro hatte dazu beigetragen. Die emotional geführte Debatte wurde dabei von zahlreichen Bürgern verfolgt. Wie es beim Krankenhaus weitergeht, ist nach der Ablehnung wieder offen.
 
Die Mensa des Willms-Gymnasiums war Schauplatz der gut dreistündigen Debatte. Neben den 42 anwesenden Ratsherren und -frauen – nur drei fehlten – waren die Zuschauerränke bis auf den letzten Stuhl gefüllt. Entsprechend hob Bürgermeisterin Antje Beilemann, die die Stadtratssitzungen leitet, die Bedeutung des Treffens hervor: „Heute fällt unsere Stadt die weitreichendste Entscheidung der Stadt.“ Dass das Thema viele Bürger berührte, war auch greifbar, weil Beilemann wegen Zwischenrufen immer wieder um Ruhe bitten musste.
 

Bürger nutzen Fragestunde

Vor den Politikern nutzten zahlreiche Bürger die Chance, um sich in der Bürgerfragestunde zu Wort zu melden. Dabei zeigte sich, dass nicht nur die Politiker in der Frage der Krankenhaus-Übernahme gespalten sind. Günther Seltenhorn, selbst Ex-Ratsherr, sagte: „Ich kann verstehen, dass keiner den Bürgern die Schließung des Krankenhauses verkündet. Aber was ist die Alternative?“ Ein Delmenhorster Krankenhaus würde zwischen Oldenburg und Bremen aufgerieben. Die Stadt solle lieber einen neuen Betreiber mit ins Boot holen.
 
Almut Dähne, Ehefrau von Ratsherr Uwe Dähne (UAD), sprach sich ebenfalls für einen Partner aus. Joachim Becker mutmaßte, dass die Banken sich auf eine langfristige Lösung einlassen würden, damit die Stadt im Falle der Absage der Übernahme ihre Bürgschaften für das JHD zurückzahlen kann. Diese Bürgschaften muss die Stadt nach der Ablehnung an die Banken zurückzahlen – 22,8 Millionen Euro.
 

Betriebsrat Brahm: Geht in unser Krankenhaus

Auch Gerd Brahm, seit 29 Jahren im JHD und dessen Vorgänger-Haus als Krankenpfleger tätig und mittlerweile Betriebsratsvorsitzender, äußerte sich. „Kommen Sie als Patient zu uns!“, appellierte er an die anwesenden Bürger. Dies sei der beste Weg, um das Haus zu retten. Ärzte sollten Patienten in sein Haus überweisen. „Alle Beschäftigte stellen die beste und höchste Versorgung sicher.“ Sollten Patienten dies anders sehen, bat er, beim Personal Bescheid zu geben. „Ihr Vertrauen zu uns ist ein erster Baustein für die Rettung des Krankenhauses.“
 

 

Jahnz: Bei Scheitern Übernahme werden Bürgschaften fällig

Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) eröffnete den Reigen der politischen Stellungnahmen. Er sprach sich abermals für eine Re-Kommunalisierung des JHD aus. „Der Zusammenschluss war nicht sehr fruchtbar“, meinte er rückblickend zur Fusion der beiden Delmenhorster Krankenhäuser zum JHD. Dennoch sei das Haus erhaltenswert. Falls der Rat die Re-Kommunalisierung ablehne, würden die Banken schon kommende Woche ihre Bürgschaften zurück verlangen.
 
Zwar müsse die Stadt bei einer Übernahme jährlich gut sechs Millionen durch Einsparungen und Steuersenkungen bereitstellen. Gegenüber den 22,5 Millionen Euro an Bürgschaften sei das aber die bessere Alternative. Er mahnte für den Fall der Ablehnung: „Das würde bedeuten, dass wir uns mit einem Nachtragshaushalt befassen müssten, der viel größer wäre.“ Sprich: Mehr Einschnitte für die Bürger.
 
Zwar sie auch eine Privatisierung denkbar. Dann würden die Bürgschaften aber trotzdem fällig. Und da die Stadt die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten muss – das ist gesetzlich vorgeschrieben -, müsste sie bis zum Verkauf Geld für den Krankenhaus-Betrieb ausgeben. Er wisse aber, dass sich kein Ratsmitglied die Entscheidung leicht mache, und respektiere andere Meinungen.
 

Oestermann: Krankenhaus erhalten

Für die Übernahme sprach sich auch Bettina Oestermann (SPD) aus. Das JHD sei ein großer Arbeitgeber. Einen neuen, möglicherweise sperrigen Partner beim Krankenhaus lehnte sie ab. Die Josef-Stiftung hatte sich letztes Jahr zurückgezogen, ohne sich an der Tilgung des JHD-Defizits zu beteiligen. Oestermann ergänzte: „Ich habe noch nie eine Schlange von Investoren ins Rathaus gehen sehen.“
 
Zwar enthielt die Kürzungsliste der Verwaltung auch 2,9 Millionen Euro im sozialen Bereich. Doch mache dies lediglich 2 Prozent des Gesamtetats des Bereichs aus. Die vorgesehene Steuererhöhung sei für die SPD tragbar, weil diese später zurückgenommen werden könne. Zudem plädierte sie für eine offene Abstimmung – damit jeder sehen könne, wo welcher Ratsherr stehe.
 

Beilemann, Kalmis und Belz für Übernahme

Auch Beilemann wollte das Krankenhaus erhalten, um im Ernstfall nicht mit ihrer 92-jährigen Mutter in eine andere Stadt fahren zu müssen. Murat Kalmis (FDP) erklärte für seine Fraktion: „Wir glauben, dass es sich lohnt, für ein Krankenhaus zu kämpfen.“ Auch Edith Belz (Linke) war trotz der geplanten Streichungen für die Re-Kommunalisierung. Sie hoffte, dass es möglich sei, die Einschnitte bei der Schülerbeförderung so zu regeln, dass nicht die Bedürftigsten betroffen würden.
 

Ogonovski zwiegespalten

Falls ein Ratsherr in sich allein die Zerrissenheit in dieser Frage darstellte, dann Kristof Ogonovski (CDU). „Wer verspricht uns, dass es besser wird?“, fragte er angesichts der hohen Risiken. „Es wird so getan, als sei das Krankenhaus morgen weg, wenn wir gegen den Antrag stimmen.“ Dabei seien die Chancen für die Übernahme durch einen privaten Investor hoch.
 
Er selbst wolle aber für den Antrag stimmen: „Ich wünsche mir, dass wir das Krankenhaus übernehmen.“ Gleichzeitig war der Fraktionszwang in seiner Partei aufgehoben, sodass jeder CDU-Ratsherr stimmen konnte, wie er wollte.
 

Dähne, Kühl und Huismann gegen Übernahme

Der Zeitdruck bei der Entscheidung und die Streichungsliste brachten viele andere Ratsmitglieder dazu, sich gegen die Übernahme auszusprechen. „Gab es schon mal die Rücknahme einer Steuer in Deutschland?“, wollte Uwe Dähne (UAD) wissen. Dies beantwortete ihn ein Zwischenrufer prompt mit: „Ja, die Teesteuer.“ Dähne wollte lieber Investitionen in Schulen, Sportstätten und die Infrastruktur sehen. Jürgen Kühl (AfD) bemängelte, dass es kaum Informationen zum Sachverhalt im Vorfeld gegeben habe.
 
Marianne Huismann (Grüne) sagte: „Letztendlich geht es um die Kunst, alle Ausfälle gleichmäßig zu verteilen, damit keiner meckert.“ Die geplanten Steuererhöhungen seien Gift für die Stadt. Dass vor ein paar Wochen für den regulären Haushalt noch nicht mal Geld für die Schultoiletten-Renovierung vorhanden gewesen sei, die Verwaltung in den letzten Tagen aber sechs Millionen für das JHD freigemacht habe, missfiel ihr ebenfalls. Ihre Entscheidung für die Fusion der Delmenhorster Krankenhäuser zum JHD sei falsch gewesen.
 
Eva Sassen (Bürgerforum) bemängelte, dass die Einbindung der Bürger in den politischen Diskurs schon beim Krankenhaus-Neubau nicht ausreichend geschehen sei.
 

 

Geheime Abstimmung sorgt für Eklat

Schließlich ging es zur Abstimmung. Mit zehn Stimmen konnten die AfD, Ratsherr Axel Unger (parteilos) und weitere Politiker eine geheime Abstimmung durchsetzen – neun Stimmen waren dafür nötig. Oestermann regte daraufhin an, das Quorum für geheime Abstimmungen künftig zu erhöhen. „Ich fühle mich dadurch in meinen Rechten als Abgeordnete eingeschränkt“, sagte sie mit Blick auf diese Stimmenzahl, die weit von der Ratsmehrheit entfernt ist.
 
Unger, bis letzten November selbst SPD-Mitglied, konterte: Er sei für eine geheime Abstimmung, weil ihm bekannt sei, was in der SPD mit denjenigen passiere, deren Meinung der Parteispitze – darunter Fraktionsvorsitzende Oestermann – nicht passe. Das Unger auf diesem Wege einen „Privatkrieg“ gegen sie austrug, bemängelte wiederum Oestermann.
 

Unentschieden sorgt für Scheitern der Übernahme

Mit Spannung erwarteten alle Anwesenden die Abstimmung und folgende Auszählung. Ergebnis: 22 Ratsherren und -frauen stimmten für die Übernahme – und 22 dagegen. Da bei Gleichstand ein Antrag abgelehnt wird, kommt es jetzt nicht zur Re-Kommunalisierung. Wie es beim Krankenhaus weitergeht, ist damit wieder völlig offen.
 
Foto oben: Vor Beginn der Sitzung schien eine Zustimmung zur Re-Kommunalisierung durch den Stadtrat noch wahrscheinlich.
 
Foto Mitte: Gerd Brahm, Betriebsratsvorsitzender im JHD, appellierte an die Bürger, bei Verletzungen in sein Haus zu kommen.
 
Foto unten: Die Zuschauerränge waren überfüllt, die Verwaltung musste noch neben der Mensa des Willms-Gymnasiums Stühle aufstellen.
 
Video: Wir haben uns nach der Sitzung einige Ratsherren und -frauen geschnappt und sie gefragt, was sie vom Ergebnis der Abstimmung halten.
 

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