Ratssondersitzung vor dem Aus: Abberufung von Stadtbaurätin Urban wird voraussichtlich scheitern

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Am 15. Januar soll eine Sondersitzung des Stadtrates mit einem einzigen Tagesordnungspunkt stattfinden: Die Abberufung von Stadtbaurätin Bianca Urban. Doch diese Sitzung wird aller Voraussicht nach nicht stattfinden. Inzwischen scheint es keine politische Mehrheit mehr dafür zu geben, die Wahlbeamtin zu entlassen, ihr aber weiterhin für vier Jahre mindestens 6o oder gar 71 Prozent ihrer Bezüge zu zahlen.

Die Personalie der städtischen Wahlbeamtin Bianca Urban, die Nummer Drei der Delmenhorster Stadtverwaltung, beschäftigt inzwischen sogar den Landtag in Hannover. Zum Hintergrund: Aufgrund einer familiären Situation kommt Bianca Urban ihren Pflichten als Stadtbaurätin der Stadt Delmenhorst nicht mehr ausreichend nach. Daher sollte sie in einer Sondersitzung des Stadtrates am 15. Januar 2020 abgewählt werden. Voraussetzung für diese Abwahl ist eine namentliche Abstimmung jedes einzelnen Ratsmitgliedes sowie eine Stimmenmehrheit von 75 Prozent. 34 der 45 Ratsmitglieder müssten daher namentlich für die Abberufung von Bianca Urban stimmen, andernfalls wäre die Abberufung gescheitert.

Zwar hatten im Vorfeld ausreichend Ratsmitglieder den Antrag für die Abberufung unterzeichnet, doch längst nicht alle Unterzeichner wollen mehr für die Abberufung stimmen.

Kosten von über 300.000 Euro

Denn das Bild in der öffentlichen Wahrnehmung ist kritisch. Es erscheint schwer nachvollziehbar, dass eine Wahlbeamtin, die entlassen wird, weil sie ihre Arbeit nicht mehr leistet, für die restlichen vier Jahre ihrer Amtszeit weiterhin 60 Prozent ihrer Bezüge bekommt. Hinweis: Von 60 Prozent spricht die Stadtverwaltung, von gar 71,5 Prozent der Bund der Steuerzahler, der sich auf § 78 Abs. 8 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes beruft. Der Stadt entstünden laut Steuerzahlerbund Kosten in Höhe von 327.000 Euro.

BdSt will Gesetzesänderung

Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler spricht gar von „Rechtsmissbrauch“, sollte es zur Abberufung kommen. Weil der BdSt den Fall für so gravierend hält, hat er die Fraktionsvorsitzenden des Niedersächsischen Landtags angeschrieben, verbunden mit der Forderung, das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz so zu ändern, dass eine Abberufung nicht mehr so einfach möglich sein soll, sondern nur dann, wenn es eine „irreversible Störung des Vertrauensverhältnisses“ zwischen dem Hauptverwaltungsbeamten (Oberbürgermeister) sowie die „Unzumutbarkeit einer weiteren Amtsausübung für die Kommune nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden organisatorischen und personalrechtlichen Maßnahmen durch die Kommune gebe.“

Ziel müsse es sein, so der Steuerzahlerbund, die Kommunen und damit die Steuerzahler vor zusätzlichen finanziellen Belastungen durch vorzeitige Abberufungen „so gut es irgend geht“ zu bewahren.

Kleine Fraktionen als Zünglein an der Waage

Da bei der anstehenden Abstimmung der Rastpolitiker elf Stimmen über das Ergebnis entscheiden, kommt es auch auf die kleinen Fraktionen an. Die Gruppe FDP/UAD berät am Freitag, wie sie sich entscheiden will, teilt FDP-Fraktionschef Murat Kalmis auf Nachfrage mit. Allerdings hatte Claus Hübscher aus dem örtlichen FDP-Parteivorstand in einer Pressemeldung bereits geschrieben, dass er den vier FDP-/UAD-Abgeordneten rät, gegen die Abberufung zu stimmen. „Die FDP Delmenhorst anerkennt die persönlichen Gründe der Stadtbaurätin, meint jedoch, dass dieses nicht zu Lasten des städtischen Haushaltes gehen sollte.“ Stattdessen solle Bianca Urban selbst kündigen.

Freie Wähler/Bürgerforum gegen die Abberufung

Die dreiköpfige Fraktion „Freie Wähler/Bürgerforum“ würde gegen die Abberufung stimmen, sagt Fraktionschef Thomas Kuhnke auf Delmenews-Nachfrage. Kuhnke geht allerdings davon aus, dass die Sitzung vorher noch gecancelt wird: „Wir hoffen, dass das schnell abgesagt wird.“

Stefan Kappe, Fraktionschef der AfD, teilt auf Nachfrage mit, dass seine dreiköpfige Fraktion für die Abberufung stimmen wird. „Delmenhorst hat wichtige Bauprojekte vor sich, da brauchen wir jemanden auf dieser Position.“ Kappe rechnet nicht damit, dass Bianca Urban aufgrund drängender familiärer Probleme in absehbarer Zeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren kann.

Vorbereitung als „stümperhaft“ kritisiert

Auch Kristof Ogonovski, der Fraktionschef der CDU, ist überzeugt, dass die Ratssitzung nicht stattfinden wird. „Von der Vorbereitung her ist das stümperhaft“, sagt Ogonovski. So sei seiner Fraktion durch den Oberbürgermeister die Abberufung von Bianca Urban ursprünglich als alternativlos dargestellt worden, durch die inzwischen aber öffentlich stattfindende Diskussion sei jedoch ersichtlich, dass es Optionen gebe. „Man hätte Alternativen aufzeigen müssen“, so Ogonovski.

Ogonovski: „ein Desaster für den Oberbürgermeister“

Darüber hinaus spreche der Bund der Steuerzahler von 71 Prozent der Dienstbezüge, die weiterhin zu zahlen seien, nicht 60 Prozent wie die Stadtverwaltung. „Es ist ein Desaster für den Oberbürgermeister“, resümiert  Kristof Ogonovski. Die CDU-Fraktion habe die Abstimmung frei gegeben. Ogonovski ist überzeugt, dass mindestens drei Mitglieder seiner Fraktion gegen die Abberufung stimmen werden – sofern diese überhaupt stattfindet. Denn auch in den anderen Fraktionen gilt die Zustimmung zur Abberufung keineswegs als sicher.

Informationspolitik bemängelt

Über die Informationspolitik des Rathauses ärgert sich auch Thomas Kuhnke: „Wenn man uns als ehrenamtlichen Ratspolitikern die finanziellen Folgen nennt, möchte ich nicht die Besoldungsgruppe  B4 erfahren, sondern eine Summe genannt bekommen. Alles andere ist Augenwischerei.“

Keine Sitzung bei unsicherer Mehrheit

Oberbürgermeister Axel Jahnz teilte heute auf Nachfrage mit, dass die Ratssitzung nicht stattfinden werde, wenn in Aussicht stehe, dass die für die Abberufung nötige Mehrheit nicht zustande komme. Die wiederum  scheint tatsächlich in weite Ferne gerückt zu sein.

 

Foto oben: Der Stadtrat beschäftigt sich derzeit mit der Zukunft von Stadtbaurätin Bianca Urban

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