Projekt für Mediensucht-Beratung verlängert – drob bietet Betroffenen Hilfe

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In unserer heutigen Mediengesellschaft bieten die Medien vielfältige Möglichkeiten, um die Freizeit zu gestalten. Doch einige Nutzer verlieren die Kontrolle und werden süchtig nach Online-Inhalten. Hilfe bietet das Projekt „re:set!“, dass in Delmenhorst die Drogenberatung drob anbietet. Das wurde jetzt um ein Jahr bis März 2020 verlängert. Wir sprachen mit den Fachleuten über die immer noch oft unterschätzte Suchtform.
 
Zuständig für die Beratung bei exzessivem Medienkonsum ist Steffen Fietz. Er ist Fachkraft für Medienabhängigkeit bei drob. Seit 2017 läuft das Projekt „re:set!“ dort und in 15 weiteren Fachstellen in Niedersachsen.
 

Mehr Beratungen als erwartet

2018 kamen 29 Betroffene (oder vermeintlich Betroffene) und 34 Angehörige, um mit Fietz zu reden. Damit wurde der Erwartungswert um mehr als das Dreifache überschritten. „Man sieht, die Notwendigkeit für das Angebot ist da“, findet Tim Berthold, der auch in der Drob arbeitet.
 
Mediensucht kann verschiedene Formen annehmen. Der Zwang, ein Computerspiel sehr exzessiv zu konsumieren, gehört genauso dazu, wie Sucht nach sozialen Netzwerken, Online-Streaming – Filme, Serien und Clips im Internet anschauen – oder Online-Glücksspielsucht. Um Letzteres kümmert sich Fietz Kollege aus der Spielsucht-Abteilung, da die Parallelen zu Offline-Süchtigen sehr groß sind.
 

Vor allem Männer in Beratung

Vor allem junge Erwachsene und Eltern bitten Fietz um Rat. Die meisten Süchtigen in seiner Beratung seien um die 30 Jahre alt. „Wer mit 30 kommt, hat Probleme seit Jahren“, weiß Berthold. Zudem hätten Jugendliche noch nicht so große Zeitprobleme durch exzessiven Konsum, da sie über mehr Freizeit verfügen. Und nicht jeder, der öfters Medien online konsumiere, sei gleich süchtig. Gerade bei Jungs gäbe es einzelne exzessive Phasen, die wieder abklingen.
 
Männer sind nach Fietz Erfahrung auch die häufigsten Teilnehmer seiner Beratungen. Er habe bisher nur drei Frauen behandelt. Warum die so selten in der Beratung auftauchen, können er und Berthold nur mutmaßen. Eine Idee: Frauen suchen sich anderweitig in ihrem sozialen Umfeld Hilfe. Oder nutzen die Medien anders. Der Klassiker: Stundenlanges Telefonieren. Auch die starke Nutzung der sozialen Medien käme in Frage. Dennoch könne exzessives Spielen bei Frauen ebenso vorkommen, wie Männer, die ständig auf Instagram und Co. unterwegs sind.
 

Kontrollverlust vorhanden?

Wie lässt sich Suchtverhalten feststellen? Da ist zum einen die verringerte Selbstkontrolle, führt Fietz aus. Betroffene berichten Fietz: „Ich spiel immer mehr. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten.“ Auch den Medienkonsum auf Platz eins der Prioritäten zu setzen, gehöre zu den Suchtkriterien. „Ich mach weiter, obwohl ich weiß, dass es mir nicht gut tut“, ist laut Fietz das dritte Merkmal.
 
Viele Menschen, auf die ein Merkmal zutreffe, seien nicht abhängig. Vielmehr müsse die ganze Lebenssituation betrachtet werden.
 

Sucht mit ernsthaften Folgen für die Gesundheit

Sucht kann ernsthafte Folgen haben. Zum einen für den Körper. Wenig Bewegung und ungesunde Ernährung schädigen die Gesundheit. Zum anderen ist auch die Psyche betroffen. Betroffene isolieren sich zumindest in der Offline-Welt oft stark, erzählt Fietz. Nach seiner Erfahrung haben zehn Prozent aller Betroffenen zusätzlich Symptome wie Depressionen. Ob die die Ursache sind oder eine Folge der Sucht, spiele für die Behandlung eine große Rolle.
 
Zudem drohen oft der Verlust des Jobs und Schulden, wenn die Betroffenen viel Geld für ihre Sucht – beispielsweise in Computerspielen – ausgeben. Einige seien so ausgelegt, dass entweder durch einzelne große oder viele kleine Transaktionen für neue Kostüme oder Gegenstände im Spiel die Nutzer um ihr Geld erleichtert würden, weiß der Experte. Auch Lootboxen mit zufälligen Gegenständen für echtes Geld fielen in diese Kategorie.
 

Therapie für Süchtige vorhanden

Falls sich bei einer Beratung herausstellt, dass ein Kunde süchtig ist – oft ist auch das Gegenteil der Fall -, kann Fietz ihn behandeln. In schweren Fällen sind auch Reha-Aufenthalte denkbar. In spezialisierten und gemischten Suchtkliniken lägen die Wartezeiten aber bei sechs Monaten.
 
Die Hoffnung von Fietz und Berthold ist, dass Online-Sucht bald als Krankheit anerkannt wird. Das würde die Zahl der Therapieangebote erhöhen. Und die Vermittlung von stationären Behandlungsplätzen erleichtern. Außerdem würden sich die Fachleute freuen, wenn ihre Mediensucht-Beratung nicht mehr projektbezogen, sondern dauerhaft finanziert wird.
 

Jungen Menschen Regeln beim Medienkonsum vermitteln

Eltern, die ihren Kindern einen unproblematischen Umgang mit Medien beibringen wollen, hätten verschiedene Möglichkeiten. Bei Jugendlichen sei ein Medienkonto mit begrenzter Stundenzahl pro Woche hilfreich. Bei Kindern gelte: je weniger, desto besser. Und zusammen mit dem Kindern Medien konsumieren, statt sie davor zu setzen. Eine Stunde vor dem Zubettgehen sollte der Bildschirm ausgemacht werden. Und genug Offline-Alternativen angeboten werden.
 
Ebenfalls wichtig sei, wie die Eltern selbst Medien nutzen. Wer ständig am Handy hänge, biete ein entsprechendes Rollenbild.
 

Beratungstermine nach Vereinbarung

Wer sich wegen seinem oder dem Medienkonsum seiner Kinder an die drob wenden will, erreicht die Fachleute unter (04221) 14055. Oder info@drob-delmenhorst.de. Beratungen finden nach Terminvereinbarung statt.
 
Foto: Steffen Fietz (links) und Tim Berthold von der drob wissen, wann Medienkonsum in Sucht übergeht. Und können Hilfe anbieten.
 

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