Premiere: Oberbürgermeister-Konferenz erstmals in Delmenhorst – „Städte dürfen nicht alleingelassen werden“
Auf Einladung von Oberbürgermeisterin Petra Gerlach konferierte die Oberbürgermeister-Konferenz des Niedersächsischen Städtetages am Dienstag und Mittwoch, den 11. und 12. Februar 2025, erstmals in Delmenhorst als Gastgeberstadt. Treffpunkt war die Turbinenhalle auf dem Nordwolle-Gelände. Es gab viel zu besprechen.
In der anschließenden Pressekonferenz wurden die durchaus umfangreichen Tagesordnungspunkte und Resultate zusammengefasst. Auskunft gaben Dr. Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages (NST), Claudio Griese, seit 2014 Oberbürgermeister der Stadt Hameln, Jürgen Krogmann, ebenfalls seit 2014 Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg, Frank Klingebiel, bereits seit November 2006 Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter und somit der Dienstälteste der Anwesenden, sowie die Delmenhorster Oberbürgermeisterin und Gastgeberin Petra Gerlach. Zur Konferenz erschienen waren insgesamt 12 der Hauptverwaltungsbeamten der Städte in Niedersachsen.
Über allem schwebte die ernüchternde Einschätzung, die kommunalen Verwaltungen würden im Korsett aus Landes- und Bundesvorschriften nahezu erdrückt. Erst recht, da die Maßnahmen ohne Finanzierungskonzept einfach an die ohnehin klammen Kommunen durchgereicht werden, kommunales Geld aber oftmals mit Kreditgeldern finanziert werden muss. „Sich derart anhäufende Defizite“, so Frank Klingebiel aus Salzgitter, „machen die Haushalte kaputt.“
Sicherheit auf Großveranstaltungen wie Märkten
Angesichts der dramatischen Ereignisse in Magdeburg und weiterer Attentate in jüngeren Zeit stand die Sicherheit auf Großveranstaltungen wie etwa auf Märkten weit oben auf der Agenda der hochkarätig besetzten Konferenz. Gleich zu Beginn wurde von Claudio Griese betont, zur Ehrlichkeit gehöre, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht geben könne. Unbesehen dessen seien sämtliche Entitäten damit beschäftigt, vorhandene Sicherheitskonzepte auf Lückenlosigkeit zu prüfen und zu schärfen.
Das betreffe einerseits etwaige bauliche Maßnahmen, so beispielsweise in Details wie der Installation von Pollern und Wellenbrechern, oder die Frage, ob und inwieweit Fahrzeuge als Hindernisse gegen potenzielle Gefährder positioniert werden können. Auf der anderen Seite gehe es um gesteigerte und vor allem deutlich sichtbare Polizeipräsenz. Dafür werde massiv zusätzliches Personal benötigt, das vom Land finanziert werden müsse.
Die Städte dürfen nicht alleingelassen werden
Grundlegend gebe es einen Schulterschluss zwischen den niedersächsischen Oberbürgermeistern und dem Land Niedersachen. So bestehe das einvernehmliche Ziel, Sicherheitsstandards festzulegen und zu standardisierten Verfahren inklusive relevanter Entfluchtungskonzepte im Crowd-Management zu gelangen. Ebenso spricht sich die OB-Konferenz dafür aus, die Ordnungsdienste vor Ort mehr zu schulen und durch die Polizei verstärkt zu unterstützen. Die Zusammenarbeit sei zweifellos vorhanden. Aufgrund der zwangsläufig hohen Kosten sei es unabdingbar, dass die Städte von Land und Bund nicht alleingelassen werden dürfen.
Subjektives Bedrohungsgefühl hat zugenommen
Jürgen Krogmann, seit 2014 Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg, ergänzte: „Das subjektive Bedrohungsgefühl hat vor dem Hintergrund der Anschläge in den vergangenen Monaten zugenommen.“ Um dem ein Signal der Sicherheit entgegenzustellen, müsse die Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum hochgehalten werden. „Uniform zeigt noch immer Wirkung.“ Gleichwohl müsse ein konsequenter Informationsaustausch zwischen den ordnungsrelevanten Ebenen gewährleistet sein.
So gehe es darum, für die Gefährder die Rahmenbedingungen im öffentlichen Raum zu erschweren. Gleichwohl müsse man sich auf alle denkbaren und auch neue Szenarien einstellen, so beispielsweise Drohnenangriffe. Die Drohnenabwehrtechnik sei bei der Polizei grundsätzlich vorhanden. Für Delmenhorst konstatierte die Delmenhorster Oberbürgermeisterin, man sei bereits kontinuierlich in Gesprächen mit dem kommunalen Ordnungsservice, der Feuerwehr als auch der Polizei. Die sollen künftig ressortübergreifend intensiviert werden.

Frank Klingebiel, OB der Stadt Salzgitter, Petra Gerlach, OB der Stadt Delmenhorst, Claudio Griese, OB der Stadt Hameln (von links nach rechts)
Krankenhaussituation und Gesundheitsversorgung prekär
Ebenfalls im Fokus der Konferenz standen die Gesundheitsversorgung sowie die Situation der Krankenhäuser mit den laut Karl Lauterbach geplanten Zusammenlegungen von Kliniken. Jürgen Krogmann: „Ohne die Gelder der Kommunen würde es etliche Kliniken schon nicht mehr geben, obwohl deren Baufinanzierung keine kommunale Aufgabe ist.“ So pumpe man etwa in Oldenburg jährlich 25 Millionen Euro in die Kliniken, damit die überhaupt liquide sind. Das größte Problem seien dabei die bilanzierten Altlasten, die deren Ergebnisse belasten.
Dr. Jan Arning erläuterte das dualistische Finanzierungssystem im Kontext der Krankenhäuser. Demnach ist es Aufgabe der Länder, für Baukosten aufzukommen. Dringende Neubauten, Renovierungen oder Modernisierungen wurden jedoch vom Bund in der Vergangenheit allenfalls marginal wahrgenommen. Resultat sei es, so Arning, dass die Kliniken selbst kreditbasierte Gelder in die Hand nehmen, also – obschon nicht vorhanden – mit eigenem Geld finanzieren. Schlussendlich würden die Kliniken in Schieflage geraten, zumal sich die Altlasten durch die Bilanzen zögen und für das alltäglich operative Geschäft nicht mehr zur Verfügung stünden.
Gleiches gilt für die Stadt Delmenhorst. laut OB Gerlach ist die Zusammenlegung der hiesigen Kliniken, zu 100 Prozent städtische Töchter, bereits erfolgt. Die werden jährlich mit namhaften Beträgen aus kommunaler Kasse bezuschusst. Insbesondere der geplante Neubau sei aber unaufschiebbar und hochwichtig für die Daseins- und Gesundheitsversorgung der Menschen. (Anm. der Red.: Eigentlich eine Zuständigkeit des Landes.)

Jürgen Krogmann, OB der Stadt Oldenburg, Dr. Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages (NST)
Diskrepanz zwischen Hoffnung und Realität
Durch in der Öffentlichkeit gestreute Verlautbarungen und Erklärungen von Bund und Ländern, so Claudio Griese, würden Hoffnungen geweckt. Dass die allerdings seitens der Städte und Kommunen kaum linear umgesetzt werden können, sorge wiederum für einen „Nährboden der Unzufriedenheit. Hinzu komme, dass Bund und Länder umzusetzende Maßnahmen unbesehen der Refinanzierung an die Kommunen weiterreichen.
Frank Klingebiel, OB der Stadt Salzgitter: „Bund und Länder erdrücken uns seit Jahren, ohne uns das Geld dafür zu geben.“ Petra Gerlach erinnerte, die Kommunen seien gewissermaßen die letzte Stufe der Demokratie. Immer weiterzugeben und unerfüllbare Maßnahmen von oben nach unten durchzureichen, funktioniere allenfalls eine Zeit lang. Ebenso einig wie besorgt waren die Anwesenden, dass die Diskrepanz zwischen Hoffnung und vor Ort umsetzbarer Realität zu „(…) Verwerfungen im Wahlverhalten“ führt.
Beispielhaft wurde von Dr. Arning das Wortmonstrum des „Bundesteilhabegesetzes“ angeführt. Um die wahren Bedarfe der Menschen mit Einschränkungen beurteilen und daraus konkrete Maßnahmen ableiten zu können, seien kosten- und personalintensive Verfahren initiiert worden. Für die reale Umsetzung würden rund 480 zusätzliche Personen im öffentlichen Dienst benötigt. Auch hier gebe es einen Dissens hinsichtlich der finanziellen Lösung. Selbstverständlich sei man bestrebt, alles Erdenkliche für Benachteiligte zu tun. Tatsache ist jedoch laut Arning: „Kommunale Haushalte zahlen drauf.“
Misstrauen zwischen Staat und Staat
Beim Thema Fördermittel wurde einmal mehr deutlich, dass gut gemeint oftmals das Gegenteil von gut gemacht ist. So würden immer wieder förderfähige Projekte ausgerollt, die bereits bei der Antragstellung mit überbordender Bürokratie verbunden seien. Die Bürgermeister wünschen sich, dieses Procedere deutlich zu entschlacken, gegebenenfalls auch mit pauschalisierten Rahmenbedingungen arbeiten zu können. Irgendwie könne man sich des Eindrucks von fehlendem Vertrauen in die kommunale Ebene nicht erwehren., was als durchaus kurios empfunden wird. Dr. Arning: „Wir reden hier von Misstrauen zwischen Staat und Staat.“
((Titelbild von links nach rechts: Frank Klingebiel, OB Stadt Salzgitter, Petra Gerlach, OB Stadt Delmenhorst, Claudio Griese, OB Stadt Hameln, Jürgen Krogmann, OB Stadt Oldenburg, Dr. Jan Arning, Hauptgeschäftsführer Niedersächsischer Städtetag))
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