Liefen Abstimmungen bei der letzten Ratssitzung falsch ab? – Stadtverwaltung weist Vorwürfe zurück

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Mit einem Beitrag in der Facebook-Gruppe „Kommunalpolitisches Forum Delmenhorst“ stellte Christian Marbach die Behauptung auf, dass in der vergangenen Ratssitzung am 10. Februar, die erstmals in Hybridform, also mit in der Markthalle anwesenden und per GoToMeeting zugeschalteten Ratsmitgliedern, stattfand, vier Abstimmungen nicht formal korrekt durchgeführt worden seien. Delmenews hakte bei ihm nach, was er zu beanstanden hat, und konfrontierte die Stadtverwaltung damit.
 
Christian Marbach, der als Sprecher der Opfer des Patientenmörders Niels Högel bekannt wurde, behauptet in einem Post vom vergangenen Mittwoch, 17. Februar, dass seinen Aufzeichnungen zufolge vier Abstimmungen im Stadtrat falsch erfolgt seien. Bereits zur damaligen Unterbrechung sowie dem Einsatz des Konferenztools GoToMeeting hatte er seinen Unmut geäußert. In diesem Zusammenhang wiederholt er seine Kritik daran.
 

Verlassen des Platzes ist nicht untersagt und eine Pflicht zur Teilnahme existiert nicht

Auf die Frage, was genau das Problem war, kann Marbach mehrere Punkte nennen. „Zum Beginn der Ratssitzung wurde deutlich formuliert, dass alle online zugeschalteten Teilnehmer der Ratssitzung über ihre Webcam sichtbar sein müssen“, berichtet er. Marbach ergänzt: „Eine Ratsfrau war trotz eingeschalteter Kamera circa zehn Minuten nicht am Platz, während die Sitzung samt Abstimmungen weiterlief.“

Stadtsprecher Timo Frers erklärt auf Delmenews-Anfrage im Allgemeinen: „Zunächst ist anzumerken, dass die Verwaltung den Verlauf der Sitzungen sehr genau verfolgt, zumal dieser inklusive der Abstimmungsergebnisse protokolliert wird. Die Verwaltung steht der Sitzungsleitung unterstützend zur Seite und gibt Hinweise zum ordnungsgemäßen Ablauf.“

Für diesen speziellen teilt er mit: „Ratsmitglieder dürfen ihre Plätze verlassen, sowohl in einer Präsenzsitzung als auch in einer Videokonferenz. Sie nehmen dann an einer Abstimmung nicht teil. Das ist kein ungewöhnliches Ereignis. Jedes Ratsmitglied ist frei in seiner Entscheidung, an den Gremiensitzungen teilzunehmen oder auch nicht. Es gibt keine Teilnahmeverpflichtung. Das ist Ausfluss des freien Mandats.“
 

Votum eines Ratsherrn war mehrmals nicht zu erkennen

Verwiesen wird von ihm auf Paragraph 54 Absatz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG). „Ein Ratsherr hatte mehrfach Probleme damit, dass er seine Hand nicht vor der Kamera, sondern wiederholt nicht sichtbar neben der Kamera gehoben hatte. Dies bemerkte er irgendwann im Verlauf der Ratssitzung selbst. An einer Abstimmung hat er nachweislich überhaupt nicht abgestimmt, weil er offenbar dem Verlauf der Sitzung inhaltlich oder akustisch nicht folgen konnte“, schildert Marbach.
 

Ergebnisse wurden nicht angezweifelt und Stimmabgabe ist nicht verpflichtend

Darauf entgegnet Frers: „Die Hybridsitzungen sind eine Lösung für eine Pandemiesituation. Die Ratsmitglieder arbeiten bei dieser Übergangslösung (die erst seit Anfang Februar, also seit gerade mal drei Wochen genutzt wird) hervorragend mit. Dafür dankt die Verwaltung ausdrücklich!“ Seinen Angaben zufolge sorgt die Stadtverwaltung für den technischen Rahmen, nämlich das Videokonferenz-Portal.

Wenn ein Ratsmitglied online teilnehmen will, greift es dafür auf die eigene Hardware zurück. Ein Mitarbeiter des IT-Services ist laut Fers bei aufkommenden Schwierigkeiten zur telefonischen Beratung verfügbar. Allerdings trägt die Stadtverwaltung keinerlei Verantwortung für die private Hardware.

„Nimmt ein Ratsmitglied aus verschiedensten Gründen nicht an einer Abstimmung teil, gilt er/sie als abwesend. Die Verhinderung führt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit. Kein Ratsmitglied hat die Abstimmung in der Sitzung infrage gestellt. Insofern gilt das festgestellte Ergebnis der Ratsvorsitzenden. Jedes Ratsmitglied ist frei in seiner Entscheidung, an Abstimmungen teilzunehmen oder nicht. Es gibt keine Verpflichtung für Ratsmitglieder an Abstimmungen teilzunehmen. Auch das ist Ausfluss des freien Mandats“, tut der Stadtsprecher kund.
 

Tischvorlage bereitete mindestens einem zugeschalteten Ratsmitglied Probleme

Zudem spricht Marbach die Abstimmung über eine Beschlussvorlage zweier Umbesetzungen im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten sowie im Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen und zentrale Angelegenheiten an. Demnach hatten die online beteiligten Ratsmitglieder keinen Einblick in die Beschlussvorlage, die ausschließlich als Tischvorlage in der Markthalle bereitgehalten und im Zuge der Abstimmung in die Videokonferenz eingeblendet wurde.

„Der berechtigte Hinweis und Einwand eines Ratsherren, dass das ‚so natürlich nicht geht‘, er die zu beschließende Vorlage nicht kenne und seine Aufforderung auf Verschiebung und spätere Wiederholung dieser Abstimmung wurde bewusst durch ein Zwiegespräch zwischen Oberbürgermeister und Ratsvorsitzende ignoriert und zur Abstimmung gestellt“, sagt Marbach.

Er führt weiter aus: „Während dieser Abstimmung waren nicht die abstimmenden Ratsmitglieder eingeblendet, sondern die Beschlussvorlage. Die Ratsvorsitzende wies sogar darauf hin, dass sie das Abstimmungsverhalten ‚online überhaupt nicht gut sehen kann‘, nannte keinerlei Abstimmungsergebnis (für Zustimmung, Abstimmung und Enthaltung), sondern deutete die Abstimmung mit ‚ich sehe das als mehrheitlich so beschlossen‘.“
 

Abstimmung wurde wiederholt und Verwaltungsmitarbeiter weisen auf Fehler hin

Frers gibt an: „Kurzfristig vor der Sitzung hatte die Gruppe FDP/UAD Änderungswünsche für drei Aufsichtsratsgremien eingereicht, die dann als Tischvorlage ergänzend beschlossen werden sollten. Nachdem einem Ratsmitglied aufgefallen war, dass die Tischvorlage nicht eingeblendet war, hatte die Ratsvorsitzende erneut abstimmen lassen.“

Von ihm wird darauf hingewiesen, dass bei der Einblendung von Vorlagen oder Präsentationen, jeder Teilnehmer die Ansicht auf dem eigenen Bildschirm persönlich bedienen muss, wobei sich neben der Zoom-Funktion für die Unterlagen das Sichtfenster verkleinern oder vergrößern lässt. „Im Saal wurde das Fenster auf den Hinweis der Ratsvorsitzenden so eingestellt, dass die abstimmungsberechtigten Personen gesehen werden konnten“, versichert er.

Der Stadtsprecher merkt an: „Stellt die Ratsvorsitzende fest, dass die Mehrheit für ein Thema gestimmt hat und kein Ratsmitglied widerspricht, gilt das Ergebnis als festgestellt. Dieser Sachverhalt gilt grundsätzlich sowohl für die üblichen Präsenzsitzungen wie auch die Hybridsitzungen. Im Übrigen beobachten die in den Sitzungen anwesenden Mitarbeiter/-innen der Verwaltung die Abstimmungen und geben der Sitzungsleitung Hinweise, wenn das Abstimmungsergebnis nicht korrekt ermittelt worden sein sollte.“
 

Im öffentlichen Teil müssen Ratsmitglieder nicht allein vor der Webcam sitzen

Im Anschluss an die öffentliche Sitzung folgte eine nichtöffentliche Ratssitzung. Marbach moniert, schon im öffentlichen Teil der Ratssitzung klar wahrgenommen zu haben, dass sich einzelne Ratsmitglieder statt allein im Beisein unbeteiligter Drittpersonen vor ihren Bildschirmen befanden.

„Das NKomVG sieht ausdrücklich auch geheime Abstimmungen der Ratsmitglieder vor. Auf direkte Nachfrage vor der Ratssitzung an die Verwaltung, wie so eine geheime Abstimmung organisatorisch laufen könnte, wurde deutlich, dass die Durchführung so in dieser Form nicht möglich ist. Auch hier kann eine softwaregestützte Abstimmung eingesetzt werden“, lässt er verlauten.

Frers erwidert dazu Folgendes: „Da öffentliche Sitzungen öffentlich sind, dürfen ‚unbeteiligte Dritte‘ neben Ratsmitgliedern, die online teilnehmen, sitzen. Die Ratsmitglieder werden zu Beginn von nichtöffentlichen Sitzungsteilen vom Vorsitz gemäß Paragraph 40 NKomVG auf die Amtsverschwiegenheit hingewiesen.“ Ein Verstoß im nichtöffentlichen Teil ist der Stadtverwaltung nicht bewusst. „Nichtöffentliche Sitzungen und geheime Abstimmungen stehen in keinem Zusammenhang. Daher ist die Anmerkung in der Fragestellung nicht nachvollziehbar“, hält der Stadtsprecher fest.
 

Verbesserungsvorschläge gibt Marbach an die Hand

Ein paar Anregungen hat Marbach auch noch zu bieten. So könnte kurzfristig anstelle von GoToMeeting auf Zoom oder Teams umgestiegen werden. Ins Spiel bringt Marbach ebenfalls einen Vorschlag von Ratsherr Andreas Neugebauer (Delmenhorster Liste), wonach grüne und rote Karten bei der Abstimmung zu einfacheren Erkennbarkeit verwendet werden könnten.

Unverzüglich sollte für das rechtssichere Abwickeln von Abstimmungen und Beschlussfassungen Gebrauch von einer Software gemacht werden. Marbach ist sich darüber im Klaren, dass sich die Kommune sehr auf die bestehende Expertise von Profis verlässt, obwohl externe Anbieter, etwa zum Beispiel die Kommunale Datenverarbeitung, insbesondere aktuell zahlreiche Städte und Gemeinden als Dienstleister behilflich sind. Er offenbart: „Über den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund wird eine zentrale und standardisierte Lösung erarbeitet und durch das Land Niedersachsen bereitgestellt.“
 
Bild: Dass in der letzten Ratssitzung nicht alle Abstimmungen einwandfrei vonstattengingen, meint zwar Christian Marbach, aber die Stadtverwaltung hat dieser Behauptung widersprochen.

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