Kritik am Beschluss des Sozialausschusses zur Einrichtung eines Familienzentrums in der Fröbelschule

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Der Ausschuss für Soziales und Gesundheit tagte am vergangenen Donnerstag, 3. Dezember, gemeinsam mit dem Jugendhilfeausschuss im Veranstaltungszentrum com.media, Lahusenstraße 25, auf der Nordwolle. In diesem Rahmen wurde darüber entschieden, ein Familienzentrum in der Fröbelschule, Fröbelstraße 1, einzurichten. Sowohl die Stadtratsfraktion Delmenhorster Liste (DL) als auch Ratsfrau Antje Beilemann (SPD) sehen dabei kritisch, dass dafür eine europaweite Ausschreibung erfolgen soll.
 
Am Ende der Beratungen beschloss der Ausschuss für Soziales und Gesundheit mehrheitlich ein geändertes Ergebnis, das sich aus drei Punkten zusammensetzt. Vom 1. März 2021 an soll die Fröbelschule demnach als Familienzentrum mit den Schwerpunkten „soziale Beratung- und Gruppenangebote“, sowie dem Schwerpunkt „Bildung“ weitergeführt werden. Der zweite Aspekt besteht darin, dass dazu eine europaweite Ausschreibung unter sozialen Aspekten mit verkürzter Frist stattfinden soll.
 

Sozialpolitiker werden von Beilemann vermisst

Zudem ist vorgesehen, dass die Stadtverwaltung den Auftrag erhält, die Mitarbeiter der Fröbelschule über den 1. März hinaus bis zum Abschluss der europaweiten Ausschreibung weiter zu beschäftigen. Unmut erregte vor allem der zweite Punkt, also die europaweite Ausschreibung, bei der ehemaligen Bürgermeisterin, Ratsfrau Antje Beilemann, und der Stadtratsfraktion DL.

„Wo waren die Sozialpolitiker?“, fragt sich Beilemann anhand des Abstimmungsergebnisses. Sie merkt an: „Den Weg in eine europaweite Ausschreibung mit der Begründung zu wählen, die ‚intensiven Gespräche‘ seien nicht ‚wirklich transparent verstanden‘ worden, lässt nicht nur die Unkenntnis der Akteure im Fachausschuss an den Grundlagen in der Zusammenarbeit der Stadt mit den freien Wohlfahrtsverbänden erkennen, sondern ist zudem ein Schlag ins Gesicht aller derer, die sich in den Wohlfahrtsverbänden engagieren.“
 

Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung wird für besser befunden

Offenbar fanden die Argumente, die ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (AGFW) im Gremium aufzeigte, keine Berücksichtigung. Beilemann ahnt, dass die Wohlfahrtsverbände und deren ehrenamtliche Mitarbeiter angesichts der Entscheidung die aus der Politik an Ehrenamtstagen und anderweitig zu vernehmenden Lobeshymnen nur als Worthülsen empfinden.

Ihrer Meinung nach ging der Beschlussvorschlag, den die Stadtverwaltung ausgearbeitet und vorgelegt hatte, in die richtige Richtung. Dieser beinhaltete im Zuge des Zuwendungsrechts die Übertragung des Familienzentrums in städtischer Trägerschaft auf Dritte. Außerdem verweist die Ratsfrau darauf, dass diese Herangehensweise nach dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 11. Juli 2018 allgemeine Gültigkeit besitzt.
 

Europaweite Ausschreibung geht zulasten der Wohlfahrtsverbände

Nach Beilemanns Angaben äußerte Ratsherr Robert Gabriel (SPD), dass sich auch ‚örtliche Unternehmen dem Wettbewerb stellen‘ müssen. Dagegen wendet sie ein, dass Wohlfahrtsverbände Non-Profit-Organisationen darstellen, die bei ihren Aktivitäten nicht auf Gewinn aus sind, sondern denen es vorrangig um das Erreichen eines Sachzieles geht, was völlig außer Acht gelassen wird.

Anhand von Gabriels Äußerung kommt die Ratsfrau zu dem Schluss, dass mehrere Ratsmitglieder die bedeutende Rolle der Wohlfahrtsverbände beim Ausführen des sozialstaatlichen Auftrags im Zusammenhang mit dem gesetzlich verankerten Subsidiaritätsprinzip nicht gut genug kennen. Wenn sich die Forderung der Politik nach einer europaweiten Ausschreibung in Fällen etabliert, in denen das rechtlich nicht notwendig ist, befürchtet sie künftig Nachteile für die Wohlfahrtsverbände.
 

Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden war für die Stadt stets von Vorteil

In der Konsequenz würde aus dem zwischen der Stadt und der AGFW vereinbarten Vertrag, den auch die Politik beschloss, ein Papiertiger. „Einer Zerschlagung gut funktionierender Strukturen im sozialen Gefüge in Delmenhorst stände dann nichts mehr im Wege. Das kann nicht im Sinne einer gut funktionierenden Sozialpolitik für die Stadt sein“, teilt Beilemann mit.

Eine ähnliche Haltung zu dem Sachverhalt vertritt auch die Stadtratsfraktion DL, deren Standpunkt Ratsherr Andreas Neugebauer öffentlich machte. Hingewiesen wird darin auf die seit Jahren sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und den Wohlfahrtsverbänden. Für die Stadt ist diese immer vorteilhaft gewesen, um rasch auf neue und gewandelte Situationen reagieren zu können.
 

Umdenken der SPD und der CDU wirft Fragen auf

Dass die Stadtverwaltung das Subsidiaritätsprinzip einhält, darauf wurde Neugebauer zufolge in der Vergangenheit vor allem von der SPD besonders Wert gelegt, die dabei die Unterstützung der CDU erhielt. Gleiches gilt dafür, permanent eine Stellungnahme der AGFW für sämtliche Vergaben in sozialen Projekten einzuholen. Ohne deren Stellungnahme wurde kein Beschluss gefasst.

Ausgerechnet die SPD und die CDU stimmten für die europaweite Ausschreibung, die aus Sicht der DL im Gegensatz dazu steht. Bemängelt wird von Neugebauer die Transparenz bei der Begründung zu diesem Schritt, der für niemanden nachvollziehbar sei. Er erinnert daran, dass dem Antrag zur Einrichtung des Familienzentrums im ersten Versuch eine Absage erteilt worden war.

Neben der fehlenden Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips war auch die fehlende Stellungnahme der AGFW aus den Reihen der SPD angemahnt worden. Beim zweiten Anlauf hatte es eine neue Beschlussvorlage einschließlich Konzeptentwurf und Stellungnahme der AGFW gegeben, die erneut abgelehnt worden war. Ausschlaggebend war damals gewesen, dass die CDU und die SPD sich für eine europaweite Ausschreibung ausgesprochen hatten. Die Gründe für diesen Sinneswandel sind unbekannt.
 

Wohlfahrtsverbände geraten so ins Hintertreffen

Zuletzt wurde über die dritte Vorlage der Stadtverwaltung beraten, die anstelle einer Ausschreibung eine Zuwendung vorsah, da sich kurzfristig lediglich das rechtlich verwirklichen lasse. Beharrt wurde auf die europaweite Ausschreibung, weshalb das Resultat infolge der Diskussion entsprechend geändert wurde.

Neugebauer bringt die Wandlung bei den großen Parteien auf den Punkt: „Sie wollen keine Stellungnahmen der AGFW mehr und sie wollen kein Subsidiaritätsprinzip mehr!“ Den Ansatz mit dem Zuwendungsbescheid betrachtete er als positiv, weil dieser ebenfalls Transparenz und Interessensbekundungen bedingt. Auch der Ratsherr spricht von einem „Schlag ins Gesicht der Wohlfahrt“.

Zu den Folgen, die sich daraus für die soziale Arbeit in Delmenhorst, ergeben sagt er: „Die Konsequenz wird sein, dass Aufgaben wie Kitas, Familienzentren, Gemeinwesenarbeit et cetera nicht mehr bei unseren Wohlfahrtsverbänden angesiedelt werden, da diese dem kommerziellen Druck nicht standhalten können. Gesehen hat man dies zuletzt bei der Vergabe der Kita Schreberstraße. Die Wohlfahrtsverbände dürfen kein Profit machen, daher haben sie auch keine großen Möglichkeiten mehr zu handeln.“
 

Dem Subsidiaritätsprinzip über ein Zuwendungsverfahren Folge leisten

Infrage stellt Neugebauer, inwieweit sie dann noch die Bereitschaft dazu aufbringen werden, kurzfristig auszuführende Aufgaben zu übernehmen. Wofür sich seine Fraktion einsetzt, gibt er preis: „Wir wollen weiterhin die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und wir wollen die Umsetzung dessen mit Hilfe des Zuwendungsverfahrens. Nur so können wir langfristig unsere Wohlfahrtsverbände sichern und der Kommune Geld sparen.“
 
Bild: An der europaweiten Ausschreibung für die Einrichtung eines Familienzentrums in der Fröbelschule haben die Stadtratsfraktion Delmenhorster Liste und Ratsfrau Antje Beilemann (SPD) etwas auszusetzen.

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