Für die SPD in Delmenhorst und der Region bewirbt sich Hamza Atilgan als Bundestagskandidat. Gedanken im Wahlkampfmodus

Wir trafen Hamza Atilgan Anfang Februar in der Delmenhorster Markthalle. Der erste Eindruck: Der für Bundespolitiker mit 31 Jahren vergleichsweise junge Mann steckt voller Energie, Überzeugung und Empathie. Wie lauten die Argumente, mit denen er sich in seinem Wahlkreis (Delmenhorst – Wesermarsch – Oldenburg-Land) positioniert; mit welchen Überzeugungen und Fähigkeiten qualifiziert er sich selbst als potenzielles Mitglied des nächsten Deutschen Bundestags?

Hamza Atilgan kommt sofort zur Sache: „Was sind die eigentlichen Probleme? Ist das wirklich Migration, ist das wirklich Bürgergeld? Das wahre Problem in unserer Gesellschaft als auch der Wirtschaft ist die Vermögensverteilung. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Wir reden darüber, als wäre das ein Krumen Brot, den wir essen. Aber es ist etwa viel Gravierenderes.“

Und weil eine solch große Lücke in der Vermögensverteilung existiere, in den unteren Lohngruppen oder der Mitte, die noch größer werde und noch weniger Reichtum habe, würden die Menschen sauer und beschuldigen die Politik. „Irgendwo zurecht, weil die Politik muss regeln, wie die Verteilung von Vermögen vonstattengeht.“

Abgesägt wird damit der Ast auf dem wir stehen

Beispielhaft weist er darauf hin, dass sich jüngst in Davos 370 Millionäre und Milliardäre getroffen hatten, um dagegen zu protestieren, dass sie selbst zu gering besteuert werden. „Das muss man sich mal klarmachen. Da steht eine Marlene Engelhorn, eine Millionenerbin, und sagt, ich hab das Geld nicht verdient.“ Atilgan fragt sich, ob die Politik tatsächlich so krass fremdgesteuert oder unter Druck gesetzt sei, dass sie an das Geld dieser reichen Menschen nicht rangehe.

Seiner Meinung nach wollen die riesigen Player wie Apple, Google, Facebook Tesla und Co. immer egozentrischer noch mehr erwirtschaften. Abgesägt werde damit der Ast auf dem wir stehen. Die Frage müsse lauten, wie weit man gehen wolle, wie viel Vermögen lasse man einzelne Personen oder Gruppen der Bevölkerung entziehen, bis schlussendlich das ganze System kollabiere.

Die Kinder müssen ein Mittagessen bekommen

Atilgan würde „(…) die Verhältnisse des Bürgergelds im Leben nicht anrühren und ganz sicher nicht verschlechtern.“ Vielmehr wole er die verbessern, vor allem bei Kindern. Dabei verweist er auf bekannte Fakten: 1,5 Millionen Bürgergeldempfänger sind Kinder. Wie könne es sein, dass auf diesen Menschen permanent herumgehackt werde? „Diese Kinder müssen unterstützt werden und mehr Zugang zu Bildung bekommen. Unabhängig davon, ob die Eltern arm oder reich sind, müssen diese Kinder ein Mittagessen bekommen.“ Hamza Atilgan fordert mehr Chancengleichheit und plädiert vehement für die Einführung der Kindergrundsicherung.

„Man kann dieses Politikgelaber gar nicht mehr hören“

Er persönlich, so Hamza Atilgan, sei froh nicht seit drei Legislaturperioden in der Bundespolitik zu sein, stattdessen als Newcomer mit gerade 31 Jahren da reinzukommen. Erwartbar werde er auch im Bundestag auf viele „Strohköpfe“ treffen, die nicht sehen, was in der Fläche passiert. „Ich will mithelfen, dass endlich etwas geschieht und es nicht bei einschläfernden Lippenbekenntnissen bleibt. Man kann dieses ergebnislose Politikgelaber gar nicht mehr hören.“

Frauenfeindlichkeit wird kaum wahrgenommen

„Ich möchte für die Menschen an der Basis da sein und mir jeden Tag bewusst machen: Es geht in dieser politischen Situation nicht um mich. Es geht um die Menschen, um die 300.000 Menschen in meinem Wahlkreis, für die ich repräsentativ im Parlament sitzen möchte.“ Ihm gehe es gut, Er habe die Chancen in diesem Land nutzen können.

Mutter Natur – wie man die auch immer benennen möge – habe ihn so ausgestattet, dass er mental und körperlich gesund ist und arbeiten kann. Allein das gebe ihm einen Vorteil gegenüber vielen anderen Menschen, die in Deutschland Hilfe benötigen. Dabei plakatiert Altigan etwa die Themen Inklusion, Rente, Altersarmut und Frauengerechtigkeit: „Wir sind in Deutschland so frauenfeindlich. Das sehen wir nur nicht.“ In dieselbe Kerbe stößt er mit dem nächsten, ihm wichtigen Thema:

Alleinerziehende Frauen bleiben ungesehen

Viele Politiker aus der Mitte – so Atilgan – setzen sich zwar verbal für mehr Chancengleichheit und Bildung ein. Da bleibe jedoch einiges auf der Strecke, denn: „Sag mir Wie!“ Dabei seien diverse Lösungen doch ganz einfach und lägen unmittelbar auf der Hand. So wurde das Elterngeld seit 2007 noch nie angerührt. Das seien seither mindestens 300 und höchstens 1.800 Euro.

„Aber was für eine fette Inflation haben wir seit 2007 gehabt? Frauen, die nach einem Monat wieder zu arbeiten anfangen müssen, um den Lebensstandard zu halten, fühlen sich nicht gesehen. Alleinerziehende Frauen werden fallengelassen.“ Da befänden sich ganz viele schieflaufende Dinge im bundesdeutschen Sozialsystem. Die SPD setze ich dafür ein, dass das Elterngeld aktualisiert angepasst werde.

Welche Motivation den SPD-Kandidaten antreibt

Davon, dass Politiker – erst recht mit Migrationshintergrund – hierzulande immer häufiger als Zielscheibe herhalten müssen, berichtet auch Hamza Atilgan. Er wird angefeindet und beschimpft, seine Plakate werden abgerissen. „Meine Plakate werden mit AfD und Hitlerschnurrbart beschmiert. Ich muss viel Druck aushalten, weiß aber auch, wofür ich das mache.“

Seine Philosophie: „Wir müssen uns um die Bürger in diesem Land kümmern. Wenn die sich gehört fühlen und wissen, ich bin deren Erfüllungsgehilfe und nicht andersherum, dann wird es ihnen bessergehen.“ Und dann finde auch keine gesellschaftliche Spaltung statt, wie wir sie aktuell erleben.

„Ich habe ein wirklich schönes Leben“

Auf der positiven Kehrseite der Medaille steht für ihn, sein berufliches und privates Umfeld. Ihm gehe es als Selbstständiger gut, er habe eine tolle Frau und Familie an seiner Seite. Die Nordenhamer seien dankbar dafür, dass er sein Unternehmen betreibt. (Anm. d. Red.: Eine 97 Jahre alte Traditionskonditorei mit angeschlossenem Hotelbetrieb in Nordenham.) „Ich habe das Privileg eines wirklich schönen Lebens. Und wenn es irgendwann sein soll, gehe ich wieder ausschließlich in mein schönes Café.“

In seinem Unternehmen lebt er den sozialdemokratischen Gedanken aus Überzeugung vor. Wer hineingehe, erzählt er, erlebe die harmonische Arbeitsatmosphäre. „Weil ich die Mitarbeitenden sozial behandele, Gehälter zahle, die weit über dem staatlichen Mindestlohn liegen und meinen Leuten mit Respekt entgegenkomme.“ Ich bin zwar als Unternehmer gewinnorientiert, aber ich denke auch an die Menschen.

Jemand anders die Schuld zu geben, ist für mich zu einfach

„Meine Motivation war immer: Ich komme in ein Land, in diesem Land gibt es tausend Möglichkeiten. Man muss nur machen. Jemand anders die Schuld zu geben, ist für mich zu einfach.“ Ganz oft würden die eigenen Schicksalsschläge oder Unfähigkeiten in die Schuhe der anderen geschoben.

„Wenn’s mir schlecht geht und ich meckere immer, warum mache ich dann nicht selber Politik?“ So möchte er sich – als Beispiel – nicht darüber beschweren, dass in der Stadt Delmenhorst zu viel Müll rumliegt. Er könne doch etwas dagegen tun und ein bisschen davon aufheben. Seine Prämisse: Nicht fragen, was kann der Staat für mich machen, sondern was kann ich für den Staat machen.

Olaf Scholz als besonnener Rückgrat-Kanzler

Zum aktuellen Spitzenkandidaten befragt, äußert er sich menschlich überzeugt. Es sei froh darüber, dass der Bundeskanzler in der jetzigen Situation Rückgrat beweise. „Der haut nicht raus und schimpft nicht über jeden. Scholz legt einfach die Fakten dar und sagt, wofür wir stehen.“ Sicherlich würde er selbst sich mehr Pepp wünschen, damit die Menschen wieder Hoffnung kriegen.

Und so hofft er darauf, den Menschen in seinem Wahlkreis mit Enthusiasmus und Dynamik Vertrauen geben zu können. Vollkommen sicher ist er sich seiner „Auftraggeber“: „Ich möchte mir jeden Tag, das hab ich mir ganz groß auf die Fahne geschrieben, sagen: Junge, merk dir, du bist für die Menschen da draußen verantwortlich; ganz egal, ob die AfD, CDU oder sonst wen gewählt haben,“.

((Beitragsbild oben: Hamza Atilgan, SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis 28))

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