Veränderungen als Standard – Abschiedsinterview mit Stadtwerke-Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen

Nach mehr als zwei Jahrzehnten an der Spitze der StadtWerkegruppe verlässt Hans-Ulrich Salmen (64) am 31. August 2024 die Position des Geschäftsführers. Sein Ruhestand beginnt am 1. September. Zum 1.Oktober übernimmt er die Funktion des technischen Geschäftsführers bei der Wesernetz Bremen GmbH, einer Tochterfirma der swb. Das DelmeNews-Abschiedsinterwiew- u.a. zu den Themen Transformation, Delfina, Aufsichtsrat und Graftvernässung:

 

Herr Salmen, Sie waren über 22 Jahre Geschäftsführer der Stadtwerke Delmenhorst. Wie schauen Sie selbst auf diese Zeit zurück?

Es war eine turbulente, eine aufregende Zeit. Von 2002 bis heute haben wir enorm viele Wechsel erlebt. Wenn ich allein auf den Versorgungsbereich des Unternehmens schaue: Es gab die Liberalisierung im Gasmarkt, Diskussionen um den Gaspreis, das Thema Stromnetzkonzession. Wir haben in der StadtWerkegruppe die Entwässerung hinzubekommen, das Delfina, den Neubau der GraftTherme oder auch die Weiterentwicklung der Abfallgesellschaft. Das alles hat eine Menge Spaß gemacht und war unheimlich bewegend. Als ich angefangen habe, habe ich den Leuten gesagt: „Ich garantiere, dass Veränderungen zukünftig zum Standard werden“.  Diese Vorhersage ist eingetroffen (lacht).

Dass es derart viele Veränderungen gegeben hat, lag allerdings nicht an mir, es waren die Zeichen der Zeit. Eine StadtWerkegruppe muss sich weiterentwickeln und gegebenenfalls sogar neu definieren. Vor dem Hintergrund der aktuellen Transformation durch die Herausforderungen des Klimawandels und der damit einhergehenden nötigen Dekarbonisierung gibt es jetzt sogar einen Paradigmenwechsel, der das gesamte Geschäftsmodell verändert.

 

Was waren Ihre drei größten Erfolge?

Ein großer Erfolg ist, dass ich 22 Jahre hier war (lacht).

 

Das ist bereits ein Erfolg?

Zumindest zeigt es, dass eine Kontinuität möglich war, wofür ich auch sehr dankbar bin. Darüber hinaus lässt sich gar nicht so einfach sagen, was ein großer Erfolg ist. Der größte Erfolg ist, dass wir die StadtWerkegruppe gebildet haben, dass wir ständig gewachsen sind, dabei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgenommen haben und als Team sehr viel geschafft haben. Die Highlights konnte ich nur schaffen, weil ich ein tolles Team hatte.

Ob es der Bereich Entwässerung ist, der Betrieb des Stromnetzes, die GraftTherme, der neue Wertstoffhof: Es sind viele Perlen an einer Schnur. Die Bildung der StadtWerkegruppe und dass das von den Mitarbeitern alles mitgetragen wurde und wird, ist das Sahnehäubchen.

 

Welche drei Dinge würden Sie mit dem Wissen von heute anders machen?

Da fällt mir nur eine Sache ein: Ich würde heute versuchen, die Leute stärker mitzunehmen. Vielleicht waren einige Sachen zu schnell oder zu komplex. Da hätte ich an der einen oder anderen Stelle vielleicht mehr Geduld haben und Aufklärungsarbeit leisten müssen, um die Leute mitzunehmen.

 

Intern oder extern?

Sowohl als auch.

 

Ein Beispiel, bitte!

Als wir uns 2016 um die Stromnetzkonzession bemüht und anschließend von der Stadt dennoch nicht den Zuschlag erhalten haben, gab es eine Demonstration auf dem Rathausplatz. Den Menschen war einfach nicht klar, warum wir das machen. Ein  weiteres Beispiel ist die Wasserproduktion…

 

Das Stichwort „Vernässte Graft“ meinen Sie?

Nein, die Wasserproduktion im Allgemeinen. Das Thema „Vernässte Graft“ ist eine städtische Angelegenheit. Die Zusammenhänge zwischen Wassergüte und Wasserproduktion deutlich zu machen und zu fragen, muss das Trinkwasser zu 100 Prozent selbst produziert sein oder kann man das im Verbund machen? Es gibt viele Facetten, die man an der einen oder anderen Stelle hätte deutlicher erklären müssen, etwa die Fragen: Was ist Resilienz, was ist Nachhaltigkeit?

 

Sie sagten gerade, mit dem Thema „Vernässte Graft“ habe die StadtWerkegruppe nichts zu tun. Dazu passt diese Frage: Das Problem der Entwässerung der Graft wird auch nach Ihrem Ausscheiden noch ungeklärt sein. Inwieweit belastet Sie das?

Das belastet mich gar nicht. Dieses Problem wird immer da sein. Es hat überhaupt nichts mit der Wasserförderung zu tun. Das sage ich seit 13 Jahren und es wäre komisch, wenn ich ausgerechnet jetzt, bei meinem Ausscheiden, etwas anderes sagen würde. Dieses Problem wird in Zukunft sogar noch stärker vorhanden sein, weil die Starkregenereignisse aufgrund des Klimawandels noch zunehmen werden. Man wird das Thema nicht mit einer Pumpenförderung in den Griff bekommen, von daher sehe ich dem Thema beruhigt ins Auge.

 

Hätten Sie auch bei diesem Thema die Leute stärker mitnehmen können oder müssen?

Definitiv! Gerade was das Thema Nachhaltigkeit, Klimawandel und Sensibilisierung angeht, hätte man an der einen oder anderen Stelle mehr machen können, aber da bedarf es auch eines Teamworks.

 

Mit der Stadt oder der Lokalpolitik?

Ganz allgemein, lassen wir das mal so stehen (lacht).

 

Abschließend ein letztes Mal gefragt: Das Abschalten des Wasserwerks und die Vernässung der Graft haben keinerlei Zusammenhang?

Genau. Das ist übrigens nicht nur meine Meinung. Ich bin ja kein Wasserförderexperte….

 

Sind Sie nicht?

Nein, auch wenn es so aussieht (lacht). Spaß beiseite: Das ist die Meinung auch von allen Experten landauf/landab.

 

Wann wird das neue Wasserwerk seinen Betrieb aufnehmen? Oder halten Sie sich bei diesem Thema bereits raus?

Da halte ich mich raus, das müssen die Planer sagen. Es muss erst der Planungsprozess, dann der Genehmigungsprozess durchlaufen werden.

 

Ein anderes Thema: Die GraftTherme ist besonders auch bei Gästen von außerhalb beliebt, während viele Delmenhorster vor allem den Außenbereich des Delfinas vermissen. Inwieweit war es ein Fehler, beim neuen Bad nicht stärker auf einen Freibadbereich zu setzen?

Es war überhaupt kein Fehler. Das schien nur am Anfang so. Als klar wurde, dass unser Freibadbereich überhaupt keine Auslastung mehr hatte und es mit Freibädern und Seen sehr starke Alternativen im Umland gibt, war das Thema schnell ad acta gelegt.

 

In den sozialen Medien ist es heute noch präsent. Wenn jemand ein Bild vom Delfina postet, gibt es dafür mehr als 100 Likes und entsprechende Kommentare…

Das ist richtig. Allerdings sind das auch diejenigen, die den 10-Meter-Turm vermissen, den es ja auch im Umland nicht mehr gibt. Doch das ist nicht die Menge. Die Besucherzahlen waren rückläufig und wir haben Befragungen gemacht. Darin wurde dann das Rosenbad in Harpstedt positiv bewertet oder angegeben, dass die Leute ins Freibad nach Ganderkesee fahren. Doch hauptsächlich sind die großen Seen im Umland im Sommer unsere Konkurrenz. Und davon gibt es einige.

 

Sie haben also gar kein Problem damit, wenn die Delmenhorster im Sommer ins Freibad nach Ganderkesee oder zu einem der Seen im Umland fahren und eben nicht in die GraftTherme gehen?

Nein, überhaupt nicht. Wenn ich unternehmerisch denke, dann ist ein Freibad keine Einnahmequelle, sondern ein Kostenfaktor. Das habe ich immer so gesagt und das sehen übrigens auch der Städte- und Gemeindebund so.

 

Ihr Hauptargument, Ihren Vertrag bei den Stadtwerken um zwei Jahre zu verlängern, war, dass Sie die Transformation des Unternehmens weg von den fossilen Energieträgern hin zu Erneuerbaren Energien noch aktiv mitgestalten wollten. Kürzlich darauf angesprochen, sagten Sie, dass dieser Prozess inzwischen weitgehend abgeschlossen sei. Ging das nicht ein bisschen schnell für so einen aufwändigen Prozess?

Ja, und es war auch für mich selbst tatsächlich überraschend, dass es so schnell gegangen ist. Das lag allerdings auch daran, dass wir ein gutes Teamwork hatten. Wir haben diesen Transformationsprozess auf viele Schultern gestellt, was dazu geführt hat, dass wir damit sehr schnell durchgekommen sind.

Am 20. Juni gab es eine Abschlussveranstaltung des Projekts, bei dem wir reflektiert haben, was in der ganzen Zeit gelaufen ist. Wir haben die neuen Stellen, die geschaffen wurden, innerhalb eines halben Jahres besetzen können, wir haben in den Bewerbungsgesprächen sehr positive Resonanzen auf die modernen, zukunftsgerichteten Strukturen bekommen. Es war tatsächlich überraschend, dass wir das so schnell hinbekommen haben.

 

Was ist denn nun anders bei der StadtWerkegruppe Delmenhorst?

Wir sind Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) der Stadtwerke. Wir bieten seit Jahren Ökostrom an, nicht als Option, sondern ausschließlich. Unsere PKW-Flotte ist CO2-neutral, der neue Wertstoffhof bekommt eine Photovoltaikanlage. Da sind wir intern auf dem richtigen Weg.

Nun müssen wir im nächsten Schritt die neuen Strukturen und Verantwortlichkeiten auf unsere Kundinnen und Kunden umbrechen. Wir müssen den Link machen weg vom Gas hin zu Alternativen. Die entsprechenden Produkte stehen bei uns bereits in den Startlöchern. Wir wissen, wo im Stadtgebiet wir nicht mehr mit Gas versorgen, denn in den Neubaugebieten gibt es ja keine Gasversorgung mehr. Wir wissen, wo wir das Gasnetz zurückbauen müssten, wenn es soweit kommen sollte. Wir stehen in den Startlöchern zur Wärmeplanung.

 

Gibt es denn schon Gespräche mit der Stadt in puncto Wärmeplanung?

Ja, es gibt erste Gespräche.

 

Der Stadtrat hat kürzlich beschlossen, dass der Aufsichtsrat der Stadtwerke künftig – wie bei anderen städtischen Tochtergesellschaften auch – künftig nur noch zwei statt bislang fünf Mitarbeitervertreter hat. Wie ist ihre Meinung dazu?

Es ist eine Sache zwischen der Stadt als Gesellschafter und den Arbeitnehmern. Da ich als Geschäftsführer weder auf der einen noch auf der anderen Seite stehe, bin ich da raus. Die beiden Parteien müssen miteinander klarkommen und darüber reden.

 

Diese Antwort stärkt Ihren Mitarbeitern nicht gerade den Rücken.

Das kann ich auch gar nicht, das müssen sie schon selber machen. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages muss nicht grundsätzlich etwas Schlechtes sein. Wenn man sieht, dass der Vertrag von 1998 ist, war es durchaus mal an der Zeit, etwas zu verändern. Ob alle Änderungen so richtig sind, müssen andere beurteilen.

 

Sie verlassen zum 31. August die Stadtwerke Delmenhorst und arbeiten ab dem 1. Oktober bei der SWB-Tochter wesernetz Bremen GmbH als technischer Geschäftsführer. Inwieweit ist ihr angedachter Ruhestand also in Wahrheit nur der Wechsel des Arbeitgebers?

(Lacht) Gar nicht. Ich gehe tatsächlich zum 1. September in Rente. Da es aber gesetzlich neue Regelungen gibt, ist es mir möglich, weiter zu arbeiten. Wenn andere Leute der Meinung sind, dass meine Kenntnisse und Erfahrungen hilfreich sind, sagt man nicht nein.

Sie arbeiten in Vollzeit?

Ja, für zwei Jahre.

 

Bleiben Sie mit Ihrer Familie in Delmenhorst?

Ja, das werden wir. Ich werde sicherlich die einen oder anderen Geschicke mitkriegen, die sich hier verändern.

 

Wer wird Ihr Nachfolger bei den Stadtwerken?

Das weiß ich nicht. Vor zwei Jahren hatte ich vorgeschlagen, dass es eine Doppelspitze für meine Nachfolge geben könnte. Das war nicht gewollt. Daher habe ich damals gesagt, dass ich beim nächsten Mal draußen bin, was die Nachfolgesuche, -bewertung, und -auswahl angeht.

 

Wer wäre denn Ihr Favorit?

Ich weiß ja gar nicht, wer zur Wahl steht.

 

Es könnte ja jemand aus dem Unternehmen sein.

Auch das muss der Gesellschafter entscheiden, ob es eine interne oder externe Lösung gibt. Da bin ich, wie gesagt, draußen. Ich weiß, dass ich am 31. 8. meinen letzten Arbeitstag hier habe. Ab dem 1. 9. sollte also jemand anderes im Handelsregister eingetragen sein.

 

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Alles Gute!

 

Hätten Sie noch Tipps für ihn, worauf er oder sie achten sollte?

Ja, aber die sind teuer…(lacht) Nein, im Ernst: In allen meinen beruflichen Stationen habe ich mir nie Tipps von einem Vorgänger geholt und kann das auch nur jedem anderen empfehlen. Tipps des Vorgängers sind ungewollt immer irgendwie gefärbt, aufgrund der Erfahrungen, der Vorkommnisse, der Situationen. Geschäftsführer müssen sich ihr eigenes Bild machen. Dafür sind sie da, dafür werden sie bezahlt.

Herr Salmen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

Bild oben: Hans-Ulrich Salmen am Schreibtisch seines Büros bei der StadtWerkegruppe in der Fischstraße in Delmenhorst.

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