Delmenhorst – eine kranke Region? Krankheitstage steigen bundesweit, besonders aber in Niedersachsen

Die Krankheitstage bzw. die Zahl der Krankmeldungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befinden sich auf hohem Niveau. So auch und gerade in Delmenhorst und Umgebung, wo seit etlichen Jahren immer wieder bundesweite Höchststände beklagt werden. Regelmäßig melden die Krankenkassen vergleichsweise viele Krankschreibungen und Ausfalltage. Kein Mensch ist freiwillig krank, ob die bundesdeutschen Regelungen dazu animieren, ausgenutzt zu werden, bleibt dennoch in der unbeantworteten Diskussion. Tatsache ist: Die Fehlzeiten belasten die Unternehmen und die Volkswirtschaft gleichermaßen. Welche Lösungen sind vorstellbar?

Reißerische Medien hatten sogar schon tituliert: „Ist Deutschland ein Problem für Blaumacher?“, was von Erkrankten, Medizinern  als auch Arbeitgebern und Krankenkassen als vollkommen überzogen bezeichnet wird. Gleichwohl steht, dass der Norden immer wieder die Statistiken der Krankenstände anführt, sowohl kurzfristige als auch länger anhaltende. Nur folgerichtig führt das zu Diskussionen, bei denen mit teils reißerischen Vorschlägen im wahrsten Sinne des Wortes in die offene Wunde gedrückt wird.

Bei der TK-versicherte Niedersächsinnen und Niedersachsen waren im Jahr 2024 durchschnittlich an 20,1 Tagen krankgeschrieben, was sogar einem leichten Rückgang entspricht. Die Fehlzeiten lagen damit über über dem bundesweiten Durchschnitt von 19,1 Tagen. Interessant und somit auch Anlass für Debatten und die teils arbeitnehmerfeindliche Suche nach Lösungen: Bei gleichen Bedingungen innerhalb beispielsweise der Produktion sind die Fehltage hierzulande mehr als doppelt so hoch wie im europäischen Ausland, mit besonderem Peak in Niedersachsen und folgerichtig auch Delmenhorst. Im Herbst 2024 waren es hauptsächlich Atemwegserkrankungen, mit denen die Zahlen in die Höhe schossen.

Unbesehen der sozialen Errungenschaften in unserer Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte wird von Arbeitgeberkreisen das Konzept der Karenztage ins Spiel gebracht. Das bedeutet, dass die ersten Tage der Krankschreibung zulasten der Arbeitnehmer gehen sollen und erst danach die Lohnfortzahlung durch die Unternehmen bzw. Krankenkassen greift. Theoretisch, so verspricht man sich, würde damit die Anzahl der kurzfristigen Krankmeldungen deutlich gesenkt. Doch bislang bleibt es bei der Theorie der Befürworter.

Denn das Modell ist insbesondere aus den skandinavischen Ländern bekannt und wird seit Jahren dort so praktiziert. Und zwar mit dem Resultat, dass die kurzfristigen Krankmeldungen tatsächlich rückläufig sind, auf der Kehrseite der Medaille allerdings steht, dass die daraufhin in Anspruch genommen Genesungstage deutlich zunehmen. Plakativ ausgedrückt: Wer einmal die Karenztage auf die eigene Kappe genommen hat, lässt sich mit der Genesung länger Zeit. Das kann in gesundheitlicher Hinsicht zweifellos positiv sein, zumal Rückfallquoten aufgrund zu schneller Rückkehr ins Arbeitsleben gesenkt werden. Volkswirtschaftlich und für den möglichst geringen Krankenstand in den Unternehmen ist damit per se nichts gewonnen.

Vor diesem Hintergrund versuchen die Beteiligten, sich an den Ursachen und Diagnosen zu orientieren, um daraus potenzielle Maßnahmen abzuleiten. So rangierten Grippe und andere Erkältungskrankheiten auf Platz eins der häufigsten Diagnosen, unmittelbar danach folgten psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen. In einen direkten Kontext werden die Erkrankungen mit der Zufriedenheit bzw. Überlastungen und Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz gesetzt, was für die Privatwirtschaft und den Öffentlichen Dienst gleichermaßen zutrifft. Fraglich bleibt, ob mit optimaler Mitarbeiterzufriedenheit wirklich gegengesteuert werden kann oder die hohen Krankenstände mit solchen Indikationen vielmehr dem allgemein gestiegenen Stress-Level in gesellschaftlichen Alltag geschuldet sind. Eine Erklärung, weshalb die Zahlen insbesondere im als „hart gesottenen“ Norden, in Niedersachen und Delmenhorst derart hoch sind, liegt bislang nicht vor.

 

 

 

 

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