Bürgerforum sieht nach VA-Dilemma Chancen für Revisionen – FDP mahnt juristische Aufarbeitung an

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Es ist noch keine Woche vergangen, seit der Stadtrat auf der Sondersitzung am Mittwoch, 22. Januar, den Verwaltungsausschuss (VA) neu wählte. Dass die Anzahl seiner Mitglieder die gesetzlich erlaubte Menge mehr als drei Jahre lang überschritten hatte, war kurz zuvor bekannt geworden. Nun hofft das Bürgerforum, dass der Stadtrat einige getroffene Entscheidungen revidiert. Seitens der FDP wurde die Forderung laut, die Folgen des Fehlers gründlich juristisch aufzuarbeiten.
 
„Das Bürgerforum möchte sich ausdrücklich bei dem Verwaltungsmitarbeiter bedanken, der die Überbesetzung des Verwaltungsausschusses aufdeckte!“, teilt die ehemalige langjährige Ratsfrau Eva Sassen im Namen des Bürgerforums mit. Ihr zufolge ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, dass derart schwerwiegende Fehler öffentlich gemacht werden. Einen positiven Aspekt kann sie dieser Misere allerdings doch abgewinnen, und zwar die Möglichkeit für den Stadtrat, sich in manchen beschlossenen Fällen noch einmal umzuentscheiden.
 

Beschlüsse über den Krankenhauskauf fungieren als Beispiel

Exemplarisch wird von Sassen die zweifache Krankenhauskaufentscheidung angeführt. Zunächst gab es im Rat keine Mehrheit für den Kauf des Krankenhauses. Befürworter und Gegner des Nachtragshaushaltes zum Kauf des Krankenhauses hatten am Freitag, 26. Januar 2018, exakt dieselbe Anzahl an Stimmen.

Drei Tage später, am Montag, 29. Januar 2018, gab Florian Friedel, der Geschäftsführer des Josef-Hospitals Delmenhorst (JHD), an, dass schon drei Kaufinteressenten bei ihm im Büro vorstellig geworden sind. Vom Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) wurden jene Kaufinteressenten laut Sassen in der Diskussion um den Kauf des Krankenhauses durch die Stadt stets verschwiegen.

Stattdessen hatte er es so dargestellt, als müsste das JHD schließen, sollte die Stadt es nicht kaufen. Keine Hehl macht Sassen daraus, was sie davon hält: „Heute wissen alle, dass dies eine gezielte Falschinformation war, die den Bürgern und Ratsmitgliedern Angst einjagen sollte.“ Jahnz damit aber der Erfolg versagt. Zum Erfolg verhalf Jahnz aus ihrer Sicht die Linksfraktion mit einem Antrag zur Wiederholung der Abstimmung, weil der Stadt der Bankrott blühe.
 

Rat ist nicht mehr derselbe

„Nachgewiesen wurde der Bankrott nicht“, betont Sassen. Zudem geht sie davon aus, dass der Oberbürgermeister mit den fünf Abweichlern der SPD aus der ersten geheimen Abstimmung Gespräche führte und diese dazu anhielt, sich beim zweiten Mahl der Stimme zu enthalten. Sassen formuliert es so: „Eine freie Entscheidung gibt es in der SPD-Fraktion Delmenhorst weniger.“

All das sorgte dafür, dass der Nachtragshaushalt mit erheblichen Reduzierungen am Mittwoch, 31. Januar 2018 abgesegnet wurde. Durch den überbesetzten VA muss auch diese Abstimmung wiederholt werden. Jedoch sind seither neuen Voraussetzungen geschaffen worden.

Neue Ratsmitglieder sind nachgerückt, die Fraktionszusammensetzungen haben sich verändert und alle Entscheider haben bessere Kenntnisse über die Hintergründe des Beschlusses und damit verbunden Auswirkungen. Für Unwissend hat Sassen folgenden Rat: „Falls sie nichts wissen, sollten sie sich bestens informieren lassen über die „Fachleute“ im Krankenhausgeschäft, wie diese zwischen eigener Firma, Insolvenzberatersein und Krankenhausberater ihre Rollen fließend tauschen.“
 

Beratung sollte der Abstimmung vorausgehen

Weiter merkt sie an: „Diese Hintergründe wurden dem Rat damals verschwiegen und sollten vor der kommenden Entscheidung abgefragt werden. Im Klartext: Welcher Protagonist, der 2018 den Rat beriet, ist gleichzeitig als Teilhaber welcher Krankenhausfirma?“

Um diesen Beschluss, bei dem es sich laut dem Oberbürgermeister um eine reine Wiederholungsentscheidung handelt, auf aktueller Faktenlage fassen zu können, bedarf es nach ihrer Ansicht einer umfassenden Beratung in dieser Angelegenheit. Ferner ruft sie die hohe Abfindung an Dr. Katharina Lüdemann, die ehemalige Chefärztin der Frauenklinik des JHD, kostspielige, verlorengegangene Gerichtsverfahren freigesetzter Pflegedienstleiterinnen, aufgekündigte Tarife der Mitarbeiter und dem Mangel an neugebauten Schulen in Erinnerung.
 

Bürger sollen erfahren, wie sich falscher VA auf ihr Leben ausgewirkt hat

Ein anderes Anliegen in puncto VA hat der Delmenhorster Kreisverband der FDP. Laut dessen Pressesprecher, Claus Hübscher, wird eine gründliche juristische Aufarbeitung der finanziellen und inhaltlichen Folgen der Fehlbesetzung des VA gefordert. Dadurch gab es in den drei Jahren Profiteure und Benachteiligte.

Jetzt gilt es, die jeweilige Benachteiligung oder Übervorteilung von Bürgern oder Gruppen äußerst sorgfältig aufzuarbeiten und publik zu machen. Auf diese Weise soll für jede Einzelperson ersichtlich sein, ob ihr der überbesetzten VA persönlich genützt oder geschadet hat. Feststeht, dass sämtliche Beschlüsse zu allen Neusatzungen und Satzungsänderungen in diesem Zeitraum juristisch anfechtbar sind. Selbst wenn die Kommunalaufsicht dem wohlgesonnen ist, trifft das zu.

Vom Oberbürgermeister verlangt die FDP neben der Übernahme der vollen Verantwortung noch die offizielle Erklärung, dass die Stadt bei keiner berechtigten Forderung eines Bürgers den Einwand der Verjährung geltend machen wird. Das betrifft vor allem mögliche Klagen oder Widersprüche gegen Steuer- und Gebührenbescheide oder gegen Negativwirkungen von Bebauungsplänen. Andernfalls empfiehlt die FDP, vorsorglich Klagen oder Widersprüche zu erheben.
 

Klagen sind angebracht, wenn die Stadt nicht auf die Verjährung verzichtet

Andernfalls empfiehlt die FDP, vorsorglich Klagen oder Widersprüche zu erheben. Diese müssen den Hinweis enthalten, dass die Erledigung solange abgewartet werden kann, bis ein allgemeiner Gerichts- oder Verwaltungsbeschluss dazu existiert.

„Drei Jahre sind für den überbesetzten Verwaltungsausschuss auch zu viel Sitzungsgelder und Entschädigungen gezahlt worden. Dieses insbesondere an jeweils ein Mitglied von SPD und CDU. Werden diese unrechtmäßig gezahlten Gelder zurückgefordert? Wenn ja, zu Lasten der allgemeinen Fraktionsentschädigung oder wie sonst? Wenn nein, wer trägt den Verlust? Kann der Oberbürgermeister dafür schadensersatzpflichtig gemacht werden?“, fragt Claus Hübscher.

Überzeugt zeigt sich die FDP davon, dass die Stadt Fälle, in denen ein Mitarbeiter versehentlich zu viel Gehalt überwiesen bekommt oder ein Bürger aufgrund eines Fehlers der Verwaltung zu wenige Grundsteuern ableistet, mithilfe von Nach- oder Rückzahlungen regelt. An die FDP/UAD-Ratsgruppe richtet der Kreisverband die Erwartung, eine akribische öffentliche Aufarbeitung der mehr als dreijährigen Fehlbesetzung des VA im Sinne einer strengen Bürgergerechtigkeit zu kontrollieren.
 
Bild: Das Bürgerforum um Eva Sassen verspricht sich vom Chaos um den Verwaltungsausschuss zweifelbehaftete Entscheidungen zu ändern.

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