Aufenthaltsverbot in alkoholisiertem Zustand auf Delmenhorster Märkten: Muss das wirklich sein?

Der Ausschuss für öffentliche Sicherheit in Delmenhorst befasst sich als Gremium im Stadtrat – wie der Name bereits ausdrückt – mit Fragen der Sicherheit und Ordnung. Die nächste Sitzung wird am 14. Mai 2025 öffentlich in der Markthalle Delmenhorst stattfinden. Die geplanten Tagesordnungspunkte sind auf dem Portal der Stadt Delmenhorst einsehbar. Und darunter gibt es mindestens einen, der bei manchen für maximales Staunen bis Verärgerung sorgt:

Konkret geht es um die „Satzung der Stadt Delmenhorst über Wochenmärkte, Volksfeste und Spezialmärkte“, gemäß Amtsblatt zurückgehend auf den Juli 2023. Die soll in mehreren Unterpunkten aktualisiert werden. Dass in einer beschlussfähigen Fassung Details stehen wie etwa, ein Komma werde gegen einen Punkt ausgetauscht, mag zum Schmunzeln motivieren, zeichnet aber nicht das Bild von dringend notwendigem Abbau der Bürokratie. Ist die Interpunktion nicht korrekt, müsste sie doch auch ohne notwendigen Beschluss korrigiert werden dürfen. Es wirkt wie die bürokratische Posse vom hüpfenden Komma. Doch bis hierhin ist das Prozedere lediglich eine verwaltende Randnotiz.

Kleinteilig neu gefasst werden soll etwa die Formulierung zu den nutzbaren Verkehrsmitteln, also zu Kleinkrafträdern, Fahrrädern und ähnlichen Fahrzeugen, die auf den jahreszeitlich wechselnden Märkten eben nicht mehr „mitgeführt“ werden dürfen. Allein die Formulierung mag verwundern. Ein Motorrad zum Beispiel werden Biker kaum mitführen. Stattdessen werden sie darauf „fahren“. Dass es auf einem Markt – fahrend – nichts zu suchen hat, versteht sich von selbst. Die Formulierung ist vermutlich dem Amtsdeutsch geschuldet, aber ebenfalls noch nicht Gegenstand des Ärgers.

Vielmehr heißt es in der mit dem kuriosen Titel „Satzung zur Änderung der Satzung“ benannten Papier, § 9 Abs. 6 werde wie folgt geändert: Verboten sei es „(…) zu betteln, zu hausieren oder sich in sichtlich betrunkenem Zustand auf den Wochenmärkten, Frühjahrs- und Herbstmärkten sowie Weihnachtsmärkten aufzuhalten“.

Das heißt, es geht um eine wesentliche Verschärfung der Satzung, die zwar öffentlich, zugleich aber durch die kleingedruckte Hintertür beschlossen werden soll. Übersetzt wird das im Web mit: „Die Politik will euch verbieten, euch in sichtlich betrunkenem Zustand auf dem Weihnachtsmarkt aufzuhalten. Muss das wirklich sein?“

Und exakt an diesem Punkt stellt sich die Frage nach der Praxinähe und Alltags- bzw. Feiertauglichkeit. Insbesondere die Weihnachtsmärkte werden gerade wegen Glühwein, Punsch und Co. gerne besucht. Der durchaus auch feuchtfröhliche Schnack gehört zu den Anziehungspunkten schlechthin. Soll es nun wirklich kommen, dass seitens der Stadt durch die Verschärfung vorgeschrieben wird, wie viele Getränke getrunken werden dürfen, obschon das zunächst nichts mit Trunkenheitsfahrten oder alkoholbedingten Schlägereien zu tun hat? Handelt es sich dabei um einen Eingriff in die Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger?

Gleichwohl ist die Definition vom „sichtlich angetrunkenem Zustand“ Auslegungssache. Wo beginnt und wo endet das Problem? Sollen die Ordnungshüter künftig mit dem Promillemessgerät über die Märkte laufen und ab dem zweiten Glühwein ist Schluss? Sorgen stark alkoholisierte Personen für Ärger, ist ein entsprechendes Einschreiten ohnehin in den Vorgaben der Polizei enthalten. Eine Novellierung eines Amtsblattes wäre nur folgerichtig unnötig. Das will sagen, Alkoholkonsum soll an dieser Stelle keinesfalls bagatellisiert werden. Doch in einer solchen Vorlage zur Sicherheit und Ordnung in Delmenhorst wirkt eine festgeschriebene Begrenzung eher wie eine Kontrolle fröhlicher Menschen mit vorweggenommenem Misstrauensbonus.

In Zeiten, in denen europaweit immer wieder Meldungen über Attentate auf vielbesuchte Märkte für Bestürzung sorgen, in denen Attentäter und Verwirrte mit Fahrzeugen in Menschenmengen rasen und Sicherheitskonzepte überarbeitet werden müssen, um Gefahren für versammelte Menschen zu reduzieren, wirkt die angestrebte Änderung auf die Kritiker wie ein oberflächliches Signal in die verkehrte Richtung.

Gibt es derzeit wirklich nichts Wichtigeres, als ein Komma gegen einen Punkt zu tauschen oder den Alkoholkonsum personalaufwendig zu kontrollieren? Klar ist, jede beschlossene Maßnahme muss auch mit dem dafür notwendigen Arbeitseinsatz der Ordnungshüter kontrolliert werden. Die allerdings sind personall unterbesetzt und haben ohnehin genug zu tun.

Die Vorlage ist bereits von Oberbürgermeisterin Petra Gerlach prophylaktisch zur Freigabe gestempelt. „Diese Satzung tritt am Tage ihrer Verkündung in Kraft.“ Bleibt abzuwarten, ob die Novelle im Ausschuss einfach durchgewunken, kritisch diskutiert oder abgelehnt wird. Das Resultat gibt es am 14. Mai 2025. Um die Brisanz zu verdeutlichen: In knapp einer Woche wird entschieden, wie weit die Stadt in die Eigenverantwortung der Menschen auf Weihnachtsmärkten eingreift.

 

 

 

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert