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Stadtrat schwenkt beim Krankenhaus doch um und sagt ja zur Übernahme – Debatte mit Herzblut geführt – Video

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Letzten Freitag hatte der Stadtrat mit einem Unentschieden noch die Übernahme des Josef-Hospitals Delmenhorst (JHD) durch die Stadt abgelehnt. Gestern Abend, 31. Januar, schwenkten die Ratsmitglieder dann um. Bis zur Entscheidung wurde die Debatte mit viel Herzblut geführt – und unter den Augen zahlreicher Zuschauer.
 
Einen Andrang wie in der gestrigen Sondersitzung des Stadtrates hatte die Markthalle vermutlich noch nie gesehen. Neben den Ratsherren und -frauen, die bis auf ein Mitglied alle teilnahmen, kamen auch gut 300 Bürger. Dass die Sitzplätze nur für einen Teil reichte und viele stehen mussten, hielt sie nicht davon ab, die Debatte aufmerksam zu verfolgen. Viele waren Mitarbeiter im Krankenhaus.
 

Antrag der Linken Grund für neue Sitzung

Dass der Stadtrat gestern wieder über das Thema beriet, war einem Antrag der Linken geschuldet. Diese hatte argumentiert, dass bei einer Ablehnung der Rekommunalisierung großer Schaden für die Stadt drohe – was nach niedersächsischem Recht eine erneute Behandlung des Themas erlaubt. Der Verwaltungsausschuss hatte diesem Antrag vor der Ratssitzung zugestimmt.
 

Bürger nach wie vor gespalten

So wie die Politik, zeigten sich auch die Bürger gespalten zwischen den Alternativen: Rekommunalisierung oder Verkauf an einen privaten Investor. Dies zeigte sich in ihren Aussagen in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Sitzung. Ex-Ratsherr Paul Wilhelm Glöckner sprach sich gegen die Rekommunalisierung aus. Die Steuerzahler hätten schon Millionen für das JHD gezahlt. Zudem bezweifelte er, dass die Vorlagen vom Insolvenzverwalter realistisch seien. Auch der Ausstieg der Stiftung St. Josef-Stift aus dem Krankenhaus störte ihn: „Waren die Verträge so schlecht, dass die Stiftung ein Mäuseloch fand?“
 
Für die Übernahme durch die Stadt argumentierte unter anderem Marco Castiglione, der schon letzten Freitag gesprochen hatte. Ohne diese drohe der Stadt der Verlust ihrer Souveränität, weil sie hohe Bürgschaften für das Haus zahlen müsse.
 
Besonderen Zuspruch der Zuschauer fand der Beitrag von Simone Dirk, Mitarbeiterin im JHD: „Ich habe letzte Woche die Sitzung gesehen. Ich war entsetzt, auf welcher Grundlage hier Entscheidungen laufen.“ Dass AfD-Mitglied Lothar Mandalka sich in einem Post nach der Ablehnung brüstete, mit dem Nein den Neubau in der Innenstadt verhindert zu haben, stieß ihr besonders sauer auf. „Wollen sie ihren Dickkopf durchsetzen?“ Die Belegschaft habe bereits 2,4 Millionen Einsparungen durch Lohnverzicht beigesteuert. Sie sprach sich für eine städtische Übernahme aus.
 

Tacheles vom Geschäftsführer

Anders als in der Sitzung am Freitag kamen diesmal auch die Fachleute zu Wort. So bekannte Geschäftsführer Florian Friedel: „Ihr Beschluss von Freitag hat mich überrascht.“ Er stellte klar, dass der Insolvenzverwalter ihn eingestellt habe, und nicht die Stadt. Zwar sei die Sanierung auch ohne die Kommune denkbar. Fügte aber hinzu: „Die Stadt ist aus meiner Sicht der beste Partner.“
 
Vorwürfen, dass es zu wenig Informationsangebote für die Ratsmitglieder gegeben habe, widersprach er. Außer der SPD habe keine Fraktion sein Angebot angenommen, die Sachlage darzulegen und Fragen zu beantworten. „Ich finde es unverschämt, wenn sie sich hinstellen und sagen, ich hätte sie nicht informiert.“
 

Übernahme durch private Investoren würde Monate dauern

Zwar gäbe es schon private Interessenten für das JHD. Bis diese das Haus übernehmen könnten, würden aber noch Monate vergehen. Die Schieflage im Haus sei der Tatsache geschuldet, dass besonders seit 2014 weniger Patienten ins Haus kamen und so 15 Prozent der Leistung verloren gingen. Gleichzeitig seien die Personalkosten um 7 Prozent gestiegen. „Das geht nicht gut.“
 
Auf Nachfrage von Eva Sassen (Bürgerforum) erklärte Friedel, dass für den Betrieb des Hauses von Dezember bis Ende Februar zwei Millionen Euro notwendig seien – die der Rat bereits Ende November bewilligt hatte. Nach der Sanierung sollen die Monatskosten auf 300.000 Euro gesenkt werden. Da gut 65 Prozent der Kosten Personalkosten seien, sollen dazu im Haus 115 Vollzeitstellen eingespart werden. Die Risiken aus dem Sanierungskonzept nannte er beherrschbar.
 

Insolvenzverwalter: Alternative kostet 32 Millionen

Auch Insolvenzverwalter Mark Boddenberg gefiel die städtische Alternative besser. Sonst müsse die Stadt neben den Bürgschaften noch die Aufrechterhaltung des Betriebes bis zum Verkauf bezahlen. Im Fall einer Privatisierung kalkuliere er mit gut 32 Millionen Euro an Kosten für die Stadt – deutlich teurer als die Rekommunalisierung, für die in den nächsten vier Jahren 15,5 Millionen Euro prognostiziert sind. Und die 32 Millionen müsse die Stadt relativ kurzfristig aufbringen. Zudem ließe sich ein saniertes JHD später immer noch verkaufen – und das zu einem besseren Preis als heute, da dann kein Zeitdruck bestehe. und viele Arbeiten bereits erledigt seien.
 

 

Jahnz hält an Übernahme fest

Für die Übernahme sprach sich abermals Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) aus. „Sie haben im November beschlossen, dieses Krankenhaus zu rekommunalisieren“, erinnerte er den Stadtrat. Falls es beim Nein zur Übernahme bliebe, würde die Stadt viel Geld versenken, ohne dafür etwas zu bekommen. Die Volksbank als größter Bürgschaftsgeber habe ihm versichert, bei einem Nein rasch ihr Geld einzufordern. Ein Nein sei auch ein verheerendes Signal an potenzielle Patienten.
 
Einsparungen von sechs Millionen für die Übernahme, die in einem Nachtragshaushalt für die Übernahme vorgesehen sind, seien besser als die Alternative. Dass eine Kita wegen des Krankenhauses später fertiggestellt würde, verneinte er. Der Bau dauere schlicht länger als geplant.
 

Oestermann für Rekommunalisierung

Auch Bettina Oestermann (SPD) sprach sich wieder leidenschaftlich für die Übernahme aus. Zwar gefielen ihr die geplanten Einsparungen selbst nicht. Aber die Rekommunalisierung sei ein Gewinn für die Stadt. „Wir machen uns zur Lachnummer, wenn wir einmal ja und einmal nein sagen“, mahnte sie mit Blick auf den Ratsbeschluss vom November. Zudem widersprach sie Aussagen, dass es in ihrer Partei einen Fraktionszwang gäbe, der eine Zustimmung für die Übernahme vorschreibe.
 
Auch Kristof Ogonovski (CDU) plädierte für die Übernahme. In einer neuen Krankenhausgesellschaft sollten allerdings keine Politiker mehr sitzen. Edith Belz (Linke) meinte: „Ich glaube, wir können das mit dem Krankenhaus.“ Wichtig seien ein guter Geschäftsführer und Controlling. Murat Kalmis (FDP) plädierte ebenfalls für eine Übernahme – obwohl der Delmenhorster Kreisverband seiner Partei sich in der Nacht vorher dagegen ausgesprochen hatte.
 

Dähne bleibt bei Nein

Zu den Kritikern eine Rekommunalisierung zählte weiterhin Uwe Dähne (UAD). „Ich glaube nicht, dass wir Krankenhaus können“, sagte er. Ähnlich äußerte sich Marianne Huismann (Grüne). Jürgen Kühl (AfD) störte dagegen, dass auch Zahlungen für den geplanten Neubau am Standort Mitte im Nachtragshaushalt eine Rolle spielten. Seine Partei lehnt den Standort Mitte ab.
 

Viele Nein-Sager überzeugt

Nach einem Antrag von Sassen und der AfD wurde wieder in geheimer Abstimmung über den Nachtragshaushalt abgestimmt. Alle 44 Ratsherren gaben ihre Stimme ab. Davon entfielen 25 auf ja, 14 auf nein und 5 auf Enthaltung. Auch die weiteren Punkte der Vorlage fanden Zustimmung – bis auf die Aufhebung eines Beschlusses über den Anteil der von eigenen Kräften zur reinigenden Städtischen Flächen. Befürwortern wie Oestermann und Jahnz war die Erleichterung anzusehen.
 
Ende letzten November hatte der Stadtrat beschlossen, das Krankenhaus zu übernehmen. Die Verwaltung erstellte in der Folge einen Nachtragshaushalt mit gut vier Millionen Einsparungen und zwei Millionen Steuererhöhungen, da die Kommunalaufsicht für die Rekommunalisierung mindestens vier Millionen an Einsparungen seitens der Stadt sehen will. Der Nachtragshaushalt hatte vielen Politikern Bauchschmerzen bereitet, weshalb in der ersten Sondersitzung letzten Freitag ein Patt zustande kam – und damit der Nachtragshaushalt nicht angenommen wurde.
 
Jetzt ist der Weg frei für die Rekommunalisierung und eine neue, städtische Krankenhausgesellschaft. Welche Vertreter die Politik in deren Führungsgremium entsendet, ist noch offen.
 
Foto oben: JHD-Geschäftsführer Florian Friedel fand mit seinem Vortrag viel Anklang bei Politikern und Zuschauern.
 
Foto Mitte: Die Übernahme des JHD durch die Stadt wurde gestern beschlossen.
 
Foto unten: Die Ratsherren und -frauen, hier von der SPD-Fraktion, verfolgten die Debatte aufmerksam. Auch Deniz Kurku (grünbrauner Pullover, Mitte), Landtagsabgeordneter für Delmenhorst, nahm teil.
 
Delmenews hat nach der Debatte mehrere Ratspolitiker im Video interviewt, was sie von der Entscheidung halten.
 

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