Protokolle zeigen: Ratspolitiker kannten Wollepark-Prostitutionsvorwürfe – warum wusste OB von nichts?

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Ratsfrau Eva Sassen hat geäußert, dass Oberbürgermeister Axel Jahnz wohl über Zwangsprostitution im Wollepark informiert gewesen sei. Im sozialen Netzwerk Facebook haben sich heute Ratspolitiker empört über Sassens Vorwurf geäußert und beteuert, sie hätten von Prostitutionsvorwürfen nichts gewusst. Doch Protokolle des GISS-Beirates belegen, dass die Ratspolitik sehr wohl über die Dramatik informiert war – auch über die Vorwürfe von Zwangsprostitution. Dass daher ausgerechnet Oberbürgermeister Jahnz, der ebenfalls im Rat sitzt, nichts davon gewusst haben will, erscheint fragwürdig.
 
Mindestens ein Protokoll des GISS-Beirates Wollepark (GISS=Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt), in dem auch Vertreter von Stadtrat und Stadtverwaltung vertreten sind, dass das Thema Prostitution bereits 2014 thematisiert worden ist. Das Protokoll vom 4. September 2014 ist insofern brisant, als dort zahlreiche Themen, die heute noch problematisch im Wollepark sind, bereits damals explizit thematisiert worden sind. Auch das Thema Prostitution.
 
Wörtlich heißt es im Protokoll des GISS-Beirates vom 4. September 2014, das hier einsehbar ist, über Problemlagen vor Ort:




(..)
4. Situation „Am Wollepark 11 und 12“
(…)
Dabei sind folgende, prekäre und schwerwiegende soziale Problemlagen erkennbar:
– Diverse Familien haben keinerlei finanzielle Absicherung, Schuldenprobleme und verfügen über keine Deutschkenntnisse. Viele sind Analphabeten.

– Viele Kinder gehen nicht zur Schule.

– Es sind Fälle von (Zwangs)Prostitution bekannt und geschildert worden.

– Bulgarische Arbeitnehmer werden ausgebeutet, sie sollen rückständige Mietzahlungen durch Arbeit ableisten und werden weder bezahlt noch sozialversicherungspflichtig angemeldet.

– Viele Frauen und Kinder verfügen über keinerlei Krankenversicherungsschutz. Kommt es zu einem behandlungsbedürftigen Krankheitsfall steigen wiederum die Schulden durch Krankenhausbehandlungskosten.

– Es sind Fälle von Tuberkulose bei schulpflichtigen Kindern bekannt.


 
Auch die Wohnsituation der Menschen wurde in dem entsprechenden Protokoll dort geschildert. Wörtlich heißt es im Protokoll:





– Die Wohnsituation ist prekär: Die Wohnungen sind in weitem Maße überbelegt. Derzeit sind ca. 150 Menschen in Am Wollepark 11 und 12 gemeldet. Es leben aber doppelt bis dreimal so viele Menschen dort. Die Wohnungen und Wohngebäude sind in einem sehr schlechten, baulichen Zustand. Teilweise leben Familien wochenlang ohne Stromversorgung und Warmwasser. Die hygienischen Bedingungen sind ebenfalls katastrophal.


 
Dass Ratspolitiker ebenfalls über die Zustände informiert waren, zeigt zum Beispiel folgender Satz des Protokolls:


Ratsfrau Hantke fragt an, wieso die Familien so geballt Am Wollepark 11 und 12 wohnhaft sind. Das Nachbarschaftszentrum klärt auf, dass Vermieter häufig nicht bereit sind, Romafamilien Wohnraum zu vermieten.


 

Erinnerungslücken bei Ratspolitikerin

Heute Vormittag, 16. Mai, hatte Margret Hantke noch auf Facebook geäußert, sie wisse nichts von Zwangsprostitution. Auf telefonische Nachfrage von Delmenews und Konfrontation mit dem Protokoll sagt Margret Hantke: „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“ Sie geht davon aus, dass dem Vorwurf nicht weiter nachgegangen wurde, weil es keine konkreten Beweise gegeben habe, sondern wohl nur Aussagen der Bewohner vorlagen.
 
Im Protokoll heißt es zu den Prostitutionshinweisen wörtlich weiter:



Die Bewohnerschaft fragt bei der Polizei nach, welche Ermittlungen in Bezug auf die Prostitutions- und Arbeitsausbeutungsproblematik unternommen wurden. Herr Schröter erklärt, dass er über laufende Ermittlungen nichts sagen dürfe. Das Problem sei aber auch, dass es keine Zeugen gibt, die bereit wären, vor Gericht auszusagen. Auf Verdacht würde nicht ermittelt. Auch ein Schutz der Zeugen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gewährleistet werden, da die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm und die dafür nachweisbare Bedrohungssituation an bestimmte Bedingungen geknüpft sei.


 
Spätestens mit diesem Protokoll ist bestätigt, dass die Problemlage Wollepark mit all ihren Facetten bereits im September 2014 für Politik und Verwaltung offen auf dem Tisch lag.
 
Auch weitere Protokolle sind aufschlussreich. So heißt es etwa im Protokoll vom 26. Januar 2015 – zu der Zeit war Axel Jahnz bereits knapp drei Monate im Amt – unter Punkt 6: Situation von EU-Zuwanderer-Familien, zu denen auch Bulgaren und Rumänen gezählt werden:


Weiterhin hat das Team des Nachbarschaftszentrums in folgenden Gremien/Arbeitskreisen über
die Situation von EU-Zuwanderern und Auswirkungen auf das Quartier Wollepark referiert: AK
GISS, SPD Ortsverein-Ost, SPD Ortsverein-Mitte, AK Wollepark (Akteure), AG Wollepark (Fachdienste und Stadtverwaltung), Kriminalpräventiven Rat (KPR) der Stadt Delmenhorst .


 
Dass ausgerechnet Oberbürgermeister Axel Jahnz als SPD-Mann nichts von den Vorwürfen erfahren haben will, obwohl, wie das Protokoll besagt, mehrere SPD-Ortsvereine über die Problemlage vor Ort informiert worden waren und eigene Parteikollegen im GISS-Beirat sitzen, erscheint schwer nachvollziehbar.
 

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