Bei Notruf Ortsunkundiger am Apparat – Bürger beklagen Leitstellen-Chaos

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Es klingt wie ein Szenario aus einer schlechten Komödie: Ein besorgter Bürger meldet Schüsse am Krankenhaus – und die Polizei hat keine Ahnung, wo das sein soll. Aber so geschehen ist es am 23. Mai hier in Delmenhorst, schildert der Ex-Ganderkeseer Ratsherr Christian Marbach. Auch weitere Bürger kennen das Problem.
 
Christian Marbach fuhr am 23. Mai gegen halb acht Uhr abends beim Krankenhaus an der Wildeshauser Straße vorbei. Dann sah er, wie ein junger Mann mitten auf einer Straße mit einer großkalibrigen Pistole wild in die Luft schoss. Immerhin handelte es sich nur um eine Softairpistole, wie Marbach, als Sportschütze, erkannt hatte. „Da steht dieser Vollidiot mitten an der Hauptstraße und ballert Plastikgeschosse durch die Gegend“, sagt Marbach. „Das war für mich der einzige Grund, ihn nicht sofort mit dem PKW zu überfahren.“ Zuvor hatte er bereits auf Facebook den Vorfall geschildert.
 

Ahnungslos auf der Leitstelle?

Also rief Marbach bei der Polizei an und schilderte die Lage. Auf Nachfrage erklärte er, der Mann stehe vor der Bushaltestelle an der Wildeshauser Straße vor dem Deichhorstcenter stadteinwärts. „Jeder der 100.0000 Einwohner aus Delmenhorst und Ganderkesee weiß jetzt sofort, wo das ist“, mutmaßt Marbach. Der Polizist in der Kooperativen Großleitstelle Oldenburg (KGO) habe damit aber nichts anfangen können und nach Straße und Hausnummer gefragt. Begründung: Er sitze in Oldenburg.
 
„B75 Abfahrt Deichhorst stadteinwärts, 100 Meter nach dem Kreisel rechts an der Bushaltestelle“, versucht es Marbach erneut. „Jeder Grundschüler wüsste jetzt sofort, wie er das in zwei Sekunden mit Google Maps findet.“ Dass die B75 an dieser Stelle bereits durch die A28 ersetzt ist, fiel Marbach in dieser Situation nicht ein. Insgesamt habe der Anruf fünf Minuten gedauert, schätzt Marbach. „Erforderlich wären bei der lokalen Polizei keine dreißig Sekunden gewesen.“
 
Große Probleme sieht Marbach aber vor allem für Menschen, die Angst haben oder verletzt sind: „Was wird wohl passieren, wenn dort Menschen in Stresssituationen – ortsunkundig, verletzt, gestresst/panisch, emotional… – anrufen?“ Darüber hinaus sei es in Deutschland nicht verpflichtend, Hausnummern klar ersichtlich an Häusern anzubringen.
 

Leitstelle 2012 eingerichtet

Die KGO gibt es seit 2012. Hier gehen Notrufe für Polizei im Oldenburger Land – und Delmenhorst – ein. Die Großleitstelle der Feuerwehr ist im selben Gebäude untergebracht. Schon 2012 gab es Kritik an der Ortsunkundigkeit der Mitarbeiter. So beschwerte sich im Dezember 2012 ein Autofahrer nach einem Unfall auf der A28 bei Delmenhorst, dass er gut 20 Minuten auf die Einsatzkräfte warten musste. Dabei habe er seinen Standort sehr genau beschrieben. Die Großleitstelle verwies hingegen darauf, dass der Mann seinen Standort ungenau angegeben habe. Daher hätten die Einsatzkräfte den Unfallort erstmal suchen müssen.
 

„Keine Beschwerden“, sagt die Polizei

„Wir haben keine Beschwerden“, erklärt dagegen Mathias Kutzner, Pressesprecher der Polizeidirektion Oldenburg. Als die Großleitstelle 2012 eingerichtet wurde, habe es Probleme wegen ortsunkundiger Beamter gegeben. Inzwischen hätten die Mitarbeiter der Leitstelle aber dank mehrerer Übersichts-Monitore die Möglichkeit, rasch zu ermitteln, wo ein Tatort sei. Zudem könnten sie die zuständige Wache per Funk dazu schalten. „Das Gefühl, dass es manchmal länger dauert, hängt vom Raster ab, das die Mitarbeiter abfragen.“ Aber dieses System funktioniere auch bei panischen Anrufern.
 

Marbach: „Reine Schutzbehauptung“

Auch bei Marbachs Anruf könne er keine Probleme erkennen. „Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Darstellung des Notrufes in erheblicher Weise von dem tatsächlich erfolgten Notruf abweicht“, sagt Kutzner. Diese Aussage klingt für Marbach nach einer reinen Schutzbehauptung: „Das halt ich für ‘n Witz. Sonst wär ich nicht so sauer. Man kann entweder die Augen verschließen oder ein Problem angehen.“ Die Polizei müsse die Mitarbeiter der KGO entsprechend schulen, damit sie wichtige Punkte in der Stadt kennen. Er sei gern bereit, mit der KGO zu reden und die Ortskenntnis der Mitarbeiter zu testen.
 
Doch auch weitere Nutzer von Facebook kennen das Problem. So beschwerte sich Karen Schädler-Glade über den Beamten in der Leitstelle: „Der könnte nicht mal die Thüringer Straße finden, die gab es nicht. Und die Parkschule auch nicht. Und dann ist der Krankenwagen auch noch vorbeigefahren.“ Auch Sylvia Borchert äußerte sich: „Das ist mir auch schon passiert. Ich habe dann genau beschrieben, wie die Polizei zum Notfall kommt. Der Beamte hatte sogar Google Maps zur Verfügung.“
 
Foto: Christian Marbach sieht ortsunkundige Mitarbeiter in der Oldenburger Großleitstelle am Werk. Die Polizei widerspricht.
 

Anzeige
Anzeige
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert